Gefährten des Zwielichts
weiter.
Es schien sich ein eigentümlicher Wettlauf zwischen Troll und Sonne zu entwickeln, denn die Schatten krochen den Hang hinter ihm empor, und auch Gibrax schritt immer höher am Berg hinauf und blieb im Zwielicht.
Er hatte seine Befehle. Wie die Nachtalbe ihm aufgetragen hatte, würde er Stellung hinter den Felsen über der Straße beziehen und unbemerkt den Weg beobachten. Wenn die anderen - die Menschen, die Elfen, die anderen Kleinen - allein, ohne die Gefährten, zurückkehrten, dann sollte Gibrax die Felsen lostreten und alle durch einen Steinschlag in die Tiefe reißen.
Es mochte nämlich sein, hatte Daugrula ihm gesagt, dass die anderen sie hintergingen und niemand von den Gefährten wiederkommen würde, um Leuchmadans Herz zurück in die Grauen Lande zu bringen. In dem Fall sollte Gibrax, nachdem er die Gegner zerschmettert hatte, ins Tal steigen, das Kästchen an sich nehmen und selbst dorthin bringen. Dem Zauberkästchen würde nichts geschehen, so groß die Steine auch wären, die Gibrax auf die anderen warf, mit denen er ihre Knochen zertrümmerte und ihre Leiber blutig mahlte ...
Ja, es war Hunger. Ganz eindeutig. Wenn nur die Feinde bald kämen!
Endlich erreichte er den Grat, und die Dunkelheit holte ihn ein und legte sich über ihn wie ein zarter Mantel. Hoch aufgerichtet stand der Troll da und blickte nach Westen, tief in die Berge hinein. In der Ferne glänzten noch einige schneebedeckte Gipfel wie Diamantsplitter auf dem samtenen Kissen der Nacht. Schmuck und Zierrat dieser Art hatte Gibrax genug gesehen, als er an den Hof von Daugazburg gekommen war, ebenso wie Blut und Fleisch auf den Schlachtfeldern. Hier aber war seine Heimat.
Gibrax atmete tief ein.
Dann kauerte er sich hinter einen Felsen und wartete.
Die Nacht verstrich.
Der Troll spürte ein Brennen hinter der Stirn. Bald würde die Sonne zurückkehren. Die Berge unter seinen Füßen riefen von dunklen, kühlen Höhlen und versprachen ihm Schutz und Zuflucht an ihrem Mark.
Gibrax riss die Augen auf und starrte hinab auf den Weg.
Schon einmal hatte er alle warnenden Empfindungen missachtet und war zu Stein geworden. Er war erstarrt und dann in jeder Nacht aufs Neue zu schmerzerfülltem Halbleben erwacht. Gibrax hatte gespürt, wie kleine Leute an seinem hilflosem Leib herumgehackt hatten wie die Maden, wie sie winzige, aber schmerzhafte Kerben schlugen, die anheilten und dann wieder zu Stein erstarrten, wenn die Sonne zurückkam.
Es war, als würde man bei lebendigem Leibe gefressen, und er hatte nur warten und vor sich hindämmern können, und er hatte nicht gewusst, ob er jemals wieder ins Leben zurückkehren würde.
Aber Daugrula und die anderen hatten ihn gerettet. Sie hatten ihn aus der Menschenstadt hinausgeführt und seine Wunden geheilt, und Daugrula hatte ihn wieder mit ihrem Zauber vor der Sonne geschützt. Sie hätte ihm nicht aufgetragen, den Weg zu bewachen, wenn sie nicht auch für Schutz gesorgt hätte.
Aber das Brennen hinter seiner Stirn wurde schlimmer, es fraß sich über seinen ganzen Leib. Die Berge riefen ihn eindringlicher, der Mantel aus Dunkelheit über den Bergspitzen wirkte mit einem Mal trügerisch, fadenscheinig, schien jeden Augenblick aufzureißen.
Gibrax verließ sein Versteck und schaute über den Grat auf die andere Seite. Er wollte nur einen kurzen Blick ins nächste Tal werfen, wo die Nacht als tiefer schwarzer See zwischen den steilen Berghängen stand. Nur einen Blick.
Die Täler und Berge im Westen erstreckten sich endlos, Schatten in Schatten durchzogen sie die Nacht. Einige Nachtmärsche in die Berge hinein, und er konnte Leuchmadans Ruf und die Kriege des Südens hinter sich lassen, zu seinem Weib zurückkehren, mit seinen Taten prahlen. Raubzüge und Gelage statt Krieg und Befehl.
Er sollte den Weg bewachen. Was war er denn? Ein Troll oder ein Zöllner?
Die Erinnerung an seine Heimat wurde lebendiger. Sie schob sich vor Daugrulas Worte, vor das Bild der Nachtalbe, des Goblins und des kleinen Volks. Die Berge waren hier, die Gefährten waren Vergangenheit. Ohne es zu bemerken, wanderte Gibrax ein kleines Stück den Hang auf der Westseite hinab.
Plötzlich glühte eine Zacke am anderen Ende des Tales golden auf. Das Licht einer noch unsichtbaren Sonne fing sich dort, streute Strahlen zu ihm herab. Gibrax kniff die Augen zusammen.
Dann schienen alle Gipfel um ihn her Feuer zu fangen, und der Brand der Sonne wanderte zu Gibrax hinab. Jeden Augenblick mochte das Taggestirn über
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