Gefährten des Zwielichts
in das Abendrot, das matt am Horizont verglühte. »Klotz auf Beinen? Das klingt gut. Neue Waffe für Gibrax: Werfen, und kommt wieder zurück!« Der Troll grinste und entblößte große, weit auseinanderstehende Zähne, die aussahen wie Grabsteine vor einer finsteren Gruft.
Alle schauten ihn an, und Werzaz zog unwillkürlich den Kopf ein.
»Im Moment hältst eher du uns auf«, wandte Daugrula ein. »Und ich rede nicht nur davon, dass du immerzu etwas verlegst. Um den Schulterpanzer zu richten, musst du die ganze Rüstung ausziehen und neu anlegen.«
Wütend schleuderte Werzaz den Stiefel zu Boden. »Glaubst du etwa, ich habe meinen verdammten Stiefel selbst in den Proviantsack gesteckt? Irgendein ... verwanztes Tier ... muss nachts bei meinem Lager gewesen sein ... und ... hat den Stiefel da reingeschoben ... als es, äh, was klauen wollte.«
Werzaz war immer leiser geworden und blickte zweifelnd auf seine Stiefel. Alle blickten ihn an. Daugrula hob spöttisch die Augenbrauen. Stille senkte sich über die Lichtung.
»Was auch immer«, ergriff Werzaz schließlich wieder das Wort. »Wir könnten reiten. Selbst dieses Gewürm«, er wies auf die Gnome, »könnte man in irgendeinen ranzigen Sack packen und über den Sattel legen. Nur wegen dem Troll«, sein Finger wanderte weiter zu Gibrax, »latschen wir uns tagelang die Beine krumm, um diesen bitanischen Schweinepfuhl zu durchqueren. Warum mussten wir den Troll mitnehmen? Er hält uns auf!«
»Gibrax hält niemanden auf«, sagte der Troll und griff nach dem zerflederten Baum, den er seit Beginn der Reise als Keule mit sich führte. »Gibrax hat lange Beine. Gibrax hat schon mal einen Menschenmann auf einem Pferd eingeholt. Obwohl ...« Der Troll legte nachdenklich einen Zeigefinger an die Lippen. »Als ich ihn eingeholt hatte, da habe ich ihn aufgehalten. Beide, meine ich. Den Menschenmann und das Pferd.«
Daugrula winkte ab. »Es reicht jetzt«, sagte sie scharf. »Leuchmadan und Geliuna selbst haben diesen Trupp zusammengestellt. Sie wissen, worauf es ankommt - oder willst du das bezweifeln, Goblin?«
»Der Wardu bezweifelt es wohl«, erwiderte Werzaz störrisch.
»Der Wardu kann sich eine gewisse Leere unter seinem Helm auch leisten«, stellte Daugrula fest. »Aber seine Stärke und seine Schnelligkeit nutzen ihm bei diesem Auftrag nicht viel. Baskon kann womöglich schneller nach Keladis gelangen als wir, aber dort wäre er so nutzlos wie ein Blecheimer, der in den Brunnen gefallen ist. Die Festung der Elfen steht mitten im Feindesland. Wenn die Wardu in der Lage wären, das Herz dort zu beschaffen, hätte Leuchmadan sie allein ausgeschickt.«
Die Nachtalbe musterte ihre Gefährten scharf. »Schnelligkeit ist nicht alles. Ein Eimer fällt schnell in den Brunnen. Aber er taugt nichts, solange er nicht an einem festen Seil hängt - und dieses Seil sind wir. Nur wir alle zusammen können unser Ziel erreichen.«
Die sechs Gefährten bewegten sich durch die sanften Hügellande am Saum des Gebirges. Wiesen mit hohem Gras, das den Gnomen fast bis zum Kinn reichte, wechselten mit abgefressenen Weiden, und dann und wann waren Areale mit endlos langen Zäunen aus schweren Balken abgetrennt.
Wito fragte sich, wo die Menschen wohl das Holz dafür hergenommen hatten, denn weit und breit war kein Wald mit so großen Bäumen zu sehen. Andererseits: Womöglich hatte er sich seine Frage soeben selbst beantwortet.
Ein bauchiger Mond stand über der Landschaft und schimmerte hinter den Wolken hervor wie eine abgedunkelte Sturmlampe. Für einen Gnom reichte das Licht aus, um nicht nur den Weg genau zu erkennen, sondern selbst die Frühlingswiesen in voller Farbenpracht zu sehen. Es waren nicht dieselben Farben wie am Tage. Das Gras wirkte lichter und grüner, die Blüten violett oder samtig blau. Die meisten Blumen waren jetzt geschlossen und zeigten nur die matten Deckblätter. Doch es gab eine Blume, die wohl nächtliche Falter anlocken wollte. Ihre Kelche aus drei großen, dreieckigen Blättern, die im Mondlicht seidig glänzten, waren weit geöffnet. Der Duft, der von ihnen aufstieg, war dumpf und schwer und mit einem Hauch von Verfall unterlegt. Wito atmete das eigentümliche Aroma und genoss den Anblick um sich her. Die Grauen Lande boten kein solches Leben.
Die Luft war kühl und trocken, und Wito spürte, dass auch Skerna und Darnamur die nächtliche Wanderung genossen. Dabei ging Daugrula ihnen so rasch voran, dass die Gnome auf ihren kurzen Beinen nur schwer
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