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Gefährten des Zwielichts

Titel: Gefährten des Zwielichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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Geflecht feinen Wurzelwerks emporgeringelt, ohne ihn zu berühren, und im Zurückweichen blieb er darin hängen und strauchelte ebenfalls.
    Überall um sie her erwachte der Boden zum Leben. Wurzeln reckten sich nach oben, und die Gnome saßen wie Fische in einem Netz, das gerade eingezogen wurde. Darnamur hatte seinen Fuß befreit, aber inzwischen hatte das Geäst sich um seine Arme gewickelt. Skerna schrie auf. Die Wurzeln hielten ihre beiden Beine fest und fesselten sie kniend an den Boden, während von unten die ersten Triebe nach ihrem Hals griffen.
    Wito zog das Messer, aber die zähen Stränge banden ihn schneller, als er sie mit der Knochenklinge durchtrennen konnte. Es ächzte und knackte im Wald, und ein Baum neben dem Pfad neigte sich herab und reckte seine Aste über die Gnome. Einzelne Reiser fegten über den Boden und drohten, einen Käfig um sie zu schließen.
    »Klein! Macht euch klein!«, rief Wito.
    »Hab ich längst versucht, du Schlaugnom«, gab Darnamur zurück und riss und zerrte an den Fasern. »Wenn wir nur richtige Messer hätten! Aber du wolltest ja nichts mitnehmen, was wir nicht klein machen können!«
    Ein Ast peitschte auf ihn zu, schlug ihm über den Kopf und streckte ihn zu Boden. Im Zurückschnellen klappte eine scharfe Klinge auf. Wito sah, dass das Ende des Astes um den Griff eines Rasiermessers gewachsen war und der Baum die Klinge wie eine Waffe führte. Zitternd verharrte der Stahl vor Darnamurs Kehle.
    »Eisen willst du?«, ächzte der Baum mit einer Stimme, die so knorrig klang wie seine dicke Borke. »Eisen kann ich dir geben.«
    »Dieses Messer ...«, entfuhr es Wito.
    Skerna röchelte. Sie lag auf dem Bauch. Wurzelstränge umfingen sie wie Stricke, ihren Leib, ihre Arme und Beine und ihren Hals, und zogen sich fester zu.
    »Das Kästchen!«, knarrte es aus dem Baum. »Wo ist das Kästchen?«
    Tausend spitze Holzfinger stachen in ihren Leib und tasteten nach den Taschen.
    Wito spürte eine andere, eine sanftere Berührung. Etwas Weiches kroch geschmeidig über ihn, und dann schob sich ein dreieckiger Eidechsenkopf in sein Blickfeld. In Panik versuchte Wito, das Tier abzuschütteln, aber die Echse klammerte sich geschickt fest, lupfte mit einer Vorderpfote seinen Jackensaum und schnüffelte in den Innentaschen. Der lange graugrün gestreifte Schwanz zuckte in der Luft.
    Wito erstarrte. »Balgir?«, fragte er. Die Echse riss den Kopf aus seiner Jacke heraus, schaute den Gnom mit großen Augen schuldbewusst an, züngelte und huschte davon.
    Und plötzlich trat Daugrula aus dem Stamm des lebenden Baumes heraus.
    Die gespenstisch belebte Vegetation erschlaffte. Der Zweig mit der Klinge schnellte wieder in seine ursprüngliche Lage zurück, und das Messer löste sich vom Holz. Daugrula fing es anmutig im Flug auf und ließ es zuschnappen. Hustend kroch Skerna unter den Ranken hervor.
    »Daugrula!«, rief Wito. »Was macht Ihr hier? Ihr wolltet doch zur Höhle zurück und auf uns warten.«
    »Ich machte mir Sorgen um euch«, gab die Albe zurück. »Ihr Kleinen wäret ja ganz auf euch allein gestellt, wenn Baskon aus irgendwelchen Gründen nicht kommt. Oder wenn er euch zurücklässt. Und wie es aussieht, hatte ich recht mit meinen Befürchtungen.«
    »Aber die Elfen ...«, stammelte Wito.
    »Mein Messer!«, sagte Darnamur mit belegter Stimme und fasste sich mit der Hand an die Kehle.
    Daugrula trat auf ihn zu und erklärte, an Wito gewandt: »Nun, solange ich mich still in einem Baum verstecke, finden mich die Elfen schon nicht. Mir schien es das Risiko wert.«
    Sie gab Darnamur das Rasiermesser. »Und deinen Schatz habe ich auch gut verwahrt, wie du siehst.« Balgir flitzte aus dem Gehölz, sprang an seiner Herrin hoch und krallte sich an ihrem Kleid fest. Dann kroch er bis zu ihrer Leibesmitte hinauf, schlang sich darum und legte den Kopf wie eine Gürtelschnalle über den Schoß der Nachtalbe, sodass er die Gnome betrachten konnte.
    Inzwischen sah der Pfad beinahe wieder aus wie zuvor. Nichts erinnerte noch an den unwirklichen Kampf, der eben hier stattgefunden hatte, an den lebenden Wald - oder zumindest den lebenden Baum, wenn all diese Wurzeln tatsächlich zu diesem einen Baum gehört hatten. Nur der Boden war ein wenig aufgewühlt, und der Weg wirkte überwachsener als zuvor.
    »Aber Ihr habt uns angegriffen!« Empört wies Skerna mit dem Finger auf die Albe. »Ist das die Art, wie Ihr Euch um uns sorgt?«
    »Ui ui ui.« Daugrula spitzte spöttisch die Lippen. »Angegriffen!

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