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Gefaehrtin Der Daemonen

Titel: Gefaehrtin Der Daemonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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Wasser schmeckte kalt und süß, was mich sofort erleichterte. Ich konnte nämlich von den Jungs leben, wenn es sein musste, konnte mich an ihren Stoffwechsel anklinken. Aber das linderte weder Hunger- noch Durstgefühle.
    Als ich mich sattgetrunken hatte, lehnte ich mich zurück, zog die Knie an die Brust und blieb ruhig sitzen. Die Dunkelheit wog schwer. Ich hatte mich noch nie vor der Dunkelheit gefürchtet, vor leeren Orten, aber das war das erste Mal seit dem Tod meiner Mutter, dass ich mich so gänzlich allein fühlte. Ich wünschte, ich hätte wenigstens den Samenring. Inständig hoffte ich, dass er Ahsen nicht in die Hände gefallen war. Oder dass er nicht irgendwo hier herumlag, ohne dass ich ihn wahrnehmen konnte.
    »Steh auf!«, befahl ich mir, nur um meine Stimme zu hören. Sie klang dünn, klein, aber in meinem Kopf spielte sich eine endlose Litanei ab. Keine Zeit, mich zu bemitleiden, keine Zeit für Furcht, keine Zeit zu grübeln. Nichts, was ich tat, würde meine Stimmung bessern, also konnte ich genauso gut weitergehen. Die Jungs zogen an mir. »He«, flüsterte ich. »Ich brauche eine Richtung.«
    Nach einer Weile kribbelte die rechte Seite meines Körpers. Ich nahm das als ein Zeichen.
    Ich ging sehr lange. Die Jungs führten mich, und ich bog ab, ging langsamer, richtete mich dabei immer nach dem Kribbeln
in meinen Gliedmaßen. Einmal stieß ich mir den Kopf, aber meistens war der Pfad frei und still. Ich blieb nur stehen, wenn die Jungs Wasser fanden. Es rauschte, schäumte und war kalt. Vielleicht ein Fluss. Ich hörte ihn schon seit einer Weile, lange bevor ich sein steiniges Ufer erreichte und überlegte, ob ich wohl ausruhen sollte. Aber dann dachte ich an Grant und Byron, sogar an Sucher und Jack, einfach an die ganze Welt, und ging schließlich doch weiter. Ich musste weitermachen.
    Ich war im Labyrinth, dessen war ich mir sicher. Ich konnte das Wie und Warum zwar nicht erklären, wusste auch nicht, was es zu bedeuten hatte, aber ich hatte immerhin die Tür geöffnet. Ich war in die Welt des Dazwischen gefallen, doch hier gab es keine Türen, und wenn das ein Knotenpunkt sein sollte, eine Kreuzung, dann gab es offenbar keine weiteren Reisenden. Mich beschlich das Gefühl, dass ich einen schrecklichen Fehler gemacht hatte. Ich war nicht auf einer Straße, sondern in einem Kerker. An einem Ort, an dem ich für immer vergessen war.
    Ich machte nur Halt, um zu trinken. Zu essen gab es nichts. Die Jungs teilten ihre Energie mit mir, unsere Stoffwechsel verbanden sich, aber das konnte das Hungergefühl nicht lindern. Nach einer Weile schmerzte die Dunkelheit in meinen Augen, die Anstrengung, etwas sehen zu wollen.
    Also schloss ich sie, stellte mir Lichter unter meinen Lidern vor, aber das waren nur Tricks, die mir mein Hirn spielte. Es spielte mir so viele Tricks. Ich fing an, laut zu reden, aber das Gefühl von Isolation verstärkte sich nur, als ich meine kleine, einsame Stimme hörte.
    Die Stille war einfacher zu ertragen. Und sich zu bewegen war das Einfachste von allem. Ich versuchte, nicht daran zu denken, ob etwas in der Dunkelheit lauerte und mich beobachtete. Ich wusste nicht, was schlimmer war: sich in einer vollkommenen Leere zu verirren oder zu wissen, dass ich gejagt wurde.

    Ich dachte an meine Mutter, zwang mich dazu, an jenen Tag zurückzudenken, damals vor fast zwanzig Jahren, als wir im Schnee gestanden hatten. Das war entsetzlich schlimm gewesen. Der Zombie in seinem Anzug mit seiner abblätternden Haut, der meiner Mutter geraten hatte, ein anderes zu bekommen, ein anderes Kind. Seine gellenden Schreie in der Bar. Diese Zombies, die sich versammelten und versuchten, mich in Besitz zu nehmen.
    Das gehört zum Spiel , hatte ich im Tagebuch meiner Mutter gelesen, nach ihrem Tod. Es war ein Spiel, ein uralter Pakt mit Mamablut. Glück oder Klugheit, gespielt wurde um das Leben eines Kindes. Um dieses Kind auf die Probe zu stellen und seine Stärke zu prüfen. War es denn stark genug, um zu kämpfen, wichtiger noch, war es stark genug für die Jungs? Denn wenn eine zukünftige Jägerin schon als Kind keinen Dämon abwehren konnte, der in sie eindringen wollte, dann war sie auch nicht berufen, diese Bürde als Erwachsene zu tragen.
    Dieses Konzept mochte vielleicht brutal sein, doch ich fand es logisch. Ich hatte nur niemals verstanden, warum es Mamablut so wichtig war, dass eine Jägerin stark sein sollte. Oder warum sie ein so großes Interesse daran hatte, diese Stärke

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