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Gefaehrtin Der Daemonen

Titel: Gefaehrtin Der Daemonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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blickte etwas nach links, wie eine Puppe, die einem kleinen Mädchen weggenommen und dann fallen gelassen worden war. Sie glänzte, strahlte etwas Grausames aus. Nichts konnte trauriger sein, und nichts flößte mehr Furcht ein.
    »Du reist jetzt mit Hunden«, sagte sie.
    Ich sah sie verwirrt an und fühlte, wie Sucher näher trat. Er lächelte bitter. »Häuterin. Ich glaube nicht, dass wir uns schon einmal begegnet sind.«
    Ahsen schwankte. Ihr zierlicher Körper wirkte in den Schuttbergen beinahe verloren, und mein jugendliches Gesicht wirkte so glatt wie unberührter Schnee an ihr. »Du warst nur ein Keim in meinem Verstand, bevor ich in den Schleier verbannt wurde. Enkidu. Sucher.«
    Sucher ließ sich nichts anmerken. Ich auch nicht. Aber innerlich bebte ich. Ahsen machte noch einen Schritt auf mich zu, schwebte leicht wie Luft über den Trümmern, und ihre Augen wirkten wie zwei schwarze Käfer, die herumkrabbelten. »Ich hatte Zeit, über die Situation nachzudenken, Jägerin. Meine Brüder und Schwestern waren Heuchler. Sie verabscheuten meine Methoden, schätzten jedoch die Resultate.« Ihr Blick glitt über meinen Körper. »Ich glaube, ich hätte auch bei dir
Besseres erreichen können. Die Missgriffe in deiner Blutlinie … verständlich, gewiss, geboren aus Verzweiflung.«
    Ich hatte keine Ahnung, wovon sie sprach. »Würdest du das ausführen?«
    Ein schwaches grausames Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie war amüsiert, doch eher so wie ein Henker, der den letzten Moment einer gelungenen Hinrichtung auskostet. »Jägerin. Du solltest dich fragen, was an deinen kleinen Kümmerlingen so anders ist, dass es sie vor der Einkerkerung hinter dem Schleier bewahrte und sie stattdessen zu einer ewigen Strafe auf menschlicher Haut verurteilt wurden. Der Schleier, sei versichert, hätte noch Platz genug gehabt, um fünf weitere Insassen aufzunehmen. Aber aus irgendeinem Grund wurden sie verschont.«
    Zee schnarrte und grub mit seinen Klauen Furchen in den Beton. »Du, Winzling«, sprach Ahsen ihn an. »Kleiner König ohne Krone. Weißt du, was du bist?«
    Ich nahm ein beklemmendes Echo in ihren Worten wahr, das zu sehr an das erinnerte, was ich im Samenring gesehen hatte. Ich dachte an meine Mutter. Meine Hand glitt in meine Tasche. Ahsen sah hin, und die Haut auf ihrem Gesicht spannte sich, als steckten Haken in ihrer Kopfhaut, die sie zurückzog. Sucher trat noch dichter zu mir, und die Jungs pressten sich an mich.
    »Ahsen«, sagte ich ruhig. »Du warst und du bist eine von ihnen. Ein Avatar. Warum bist du hier? Selbst wenn du eingekerkert warst, warum hilfst du den Dämonen? Nur aus Rachsucht?«
    »Weil ich keine Wahl habe.« Sie flüsterte, und ihre erwachsene Stimme klang unheimlich, pulsierend. »Aber ich habe meine Prioritäten neu gesetzt. Und mich entschlossen, mein Schicksal umzugestalten.«
    Sie schnippte mit den Fingern. Ein Luftzug glitt über mein Gesicht. Da stieg mir ein Geruch in die Nase, so brutal, so widerlich,
als hätte sich jemand, der aus Schwefel und Scheiße bestand, unmittelbar vor mir die Adern aufgeschnitten. Körper schlurften aus der Dunkelheit heran, Skelette aus Fleisch und Schatten. Sie hatten weder Augen noch Münder, triefende Löcher an Stelle von Nasen, lange, von Sehnen überzogene Gliedmaßen und Adern wie Seile, in denen Rohöl zu pulsieren schien. So etwas hatte ich noch nie zuvor gesehen! Doch es hätten nicht so viele sein dürfen. Hinter ihnen blieb die Welt eine surreale Realität aus leisen Schreien, Sirenen und dem Wummern von Hubschrauberblättern.
    »Ich war die Erste aus meinem Volk«, sagte Ahsen ruhig. »Die Erste der Raffer, Ränkeschmieder und Plänespinner; die Erste, die das göttliche Organische meisterte. Und jetzt werde ich erneut beginnen. Ich werde mir meine eigene Armee schaffen. Man wird mir das Labyrinth nicht mehr verwehren. Nie wieder.«
    Die schwankenden Kreaturen hatten uns umringt und witterten. Auf dem bloßen Schädel einer von ihnen sah ich ein Büschel blondes Haar, wie die letzten Fäden eines Quilts, die nicht ganz zusammengeknüpft waren. Blankes Entsetzen bohrte sich wie ein Dolch in mein Herz. Ich sah genauer hin und versuchte, etwas wiederzuerkennen. Ich fragte mich, ob mir die breiten Schultern der Kreatur vielleicht bekannt vorkamen.
    »Es sind keine Dämonen«, stieß ich hervor, mit der Übelkeit ringend. »Das waren einst Menschen.«
    Ahsen summte leise. »Menschheit ist eine so dürftige Klassifikation, so hinfällig. Das

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