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Gefaehrtin Der Daemonen

Titel: Gefaehrtin Der Daemonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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Es hatte etwas zu verlieren, da saß ihm was im Nacken. Ich wünschte, ich hätte Zeit, es zu fragen, wünschte, ich hätte eine Wahl. Aber ich konnte nicht hierbleiben und den Jungen im Auge behalten. Ebenso wenig konnte ich riskieren, dass mir das Mädchen weiter zusetzte. Jetzt nicht mehr.
    Ich drückte zu, bis es aufschrie, und zwang mich weiterzudrücken, damit es die Nachricht kapierte.
    Du solltest mehr Angst vor mir haben.
    Sie begriff. Ich sah die Veränderung, als es passierte, in ihrem Blick, an ihrem Mund. Plötzlich verhielt sie sich wie ein kleines Kätzchen im Maul eines Rottweilers. Bitterkeit durchströmte mich. Ich hasste das, hasste das alles. Ich war ein Monster. Ich erschreckte kleine, gebrochene Mädchen. Wir alle waren doch kleine, verlorene Mädchen.
    Ich lockerte den Griff. Der Teenager wich ohne ein Wort zurück, drehte sich um und ging weg, sehr schnell und ohne sich noch umzudrehen. Ich sah ihr nicht nach, sondern lief los, stinksauer auf mich selbst. Und ich fühlte mich hundeelend.
    Weit kam ich nicht. Ich hatte die Brücke vor dreißig Minuten verbrannt, als ich nicht zum Mustang zurückgekehrt war, weshalb ich jetzt in einer Tiefgarage saß; während ich ein Buch las oder mit Grant telefonierte, im Dreck wühlte oder mit ihm zusammenhockte. Ich hatte es übertrieben, zu lange gewartet. Jetzt war ich draußen, in der Öffentlichkeit.
    Die Sonne ging unter, doch es war ungewöhnlich dunkel. Das war mein Glück. Ich glitt zwischen die Stoßstangen von zwei geparkten Wagen, einem verbeulten Volkswagen und einem aufgemotzten SUV. Dort sank ich auf Hände und Knie. Die Spitzen meines Haars tauchten in eine Regenpfütze. Hier gab es keine Straßenlaternen, keine erleuchteten Fenster. Nur Schatten und mich, einen weiteren zitternden Körper, der auf einer Straße lag, die voll davon war. Ich hörte Menschen vorbeigehen.

    Keiner verlangsamte seinen Schritt, und ich hoffte, dass auch niemand etwas sah. Hoffentlich waren sie alle blind. Hoffentlich war ich nicht am Ende.
    Irgendwo ging die Sonne unter. Ich fühlte, wie der Horizont sie schluckte, spürte die Hitze in meiner Kehle, hatte das Gefühl, als würden sich zwischen meinen Rippen die Dunkelheit, die endlose Nacht und die Sterne drehen. Die Tätowierungen lösten sich von meiner Haut. Die Jungs wachten auf.
    Es tat weh, doch das war normal. Meine Haut riss auf, gehäutet von Rauch und Schatten. Ich schluckte schmerzhafte Flüche hinunter, meine Kehle brannte, und dann riss ich mir die Handschuhe herunter. Ich zitterte so stark, dass meine Zähne klapperten. Noch vor Minuten hatten Tätowierungen meine Hände bedeckt, meine Finger, die Handfläche, selbst die Fingernägel. Schwarze tätowierte Linien. Doch jetzt wanden sich dort Leiber, deren silbrige Haut sich in einen Nebel verwandelte, der durch meine Kleidung drang. Ich fühlte Herzen schlagen, fremde Herzen. Schlanke, muskulöse Gliedmaßen glitten heiß und schwer durch mein Haar. Kleine Finger liebkosten meine Wangen, und ein melodisches Flüstern vermischte sich mit dem Prasseln des Regens.
    Mit diesem endlosen Regen. Er war kalt, durchnässte meine Kleidung und machte sie schwer. Mir war unwohl, sehr unwohl. Ich spürte Kälte und Wind, den Schmerz in meinen Knien - von dem harten Beton. Meine Handflächen waren eiskalt, mir lief die Nase, ich konnte kaum denken.
    Meine Haut war wieder menschlich, vollkommen menschlich. Würde ich getroffen, so würde ich zusammenbrechen. Erstach man mich, ich würde bluten. Ich konnte erschossen, erwürgt, ersäuft werden: Jetzt konnte man mich umbringen. Ich war wieder ein Mensch, bis zum Morgengrauen. Verletztlich, bis dahin. Sterblich.

    »Maxine«, flüsterte Zee. »Süße Maxine.«
    Ich setzte mich auf und schlug mit den Schultern schmerzhaft gegen die raue Stoßstange. Drei kleine Gestalten hockten vor mir, fast unsichtbar in den dunklen, nassen Schatten. Zee, Aaz und Rohw. Ihre Haut sah aus wie Ruß, in den man Silber und Quecksilber gemischt hatte, sie waren schlank und warm. Dampf stieg von den rasiermesserscharfen Schuppen ihrer vorgewölbten Rückgrate und dürren Arme auf. Sie hatten zwei Arme und zwei Beine, Klauen statt Finger und Zehen. Ihre Füße waren fast menschlich, so wie ihre verwegenen Gesichter. Sie waren so knochig, dass es fast wehtat. Ich roch Feuer, Leder und etwas, für das ich keinen Namen hatte, das aber so wie meine Mutter roch. Ein Duft, der schon immer Zuhause bedeutete.
    Mein Zuhause. Ihr Zuhause. Bis die Zeit

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