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Gefaehrtin Der Daemonen

Titel: Gefaehrtin Der Daemonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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»Ich nehme an, Ihre Mutter ist gestorben?«
    »Vor fünf Jahren«, erwiderte ich zögernd.
    Jack hatte mir das Gesicht nicht zugewendet, aber sein Kinn sank etwas tiefer auf seine Brust, und seine Finger verkrampften sich um die Teetasse. Dann erzitterte er, allerdings so schwach, dass es nur ein Atemzug gewesen sein konnte.
    »Sie waren so entzückend«, sagte er leise. Einen Moment glaubte ich, er spräche zu der Erinnerung an meine Mutter, bis er fortfuhr: »Sie haben nie geschrien. Sie waren ein wirklich süßes Baby.«
    Darauf wusste ich nichts zu erwidern. Vielleicht sprach er ja
doch über meine Mutter. Vielleicht meinte er auch mich. Vielleicht, vielleicht. Zu viele Vielleichts. »Sie war mit mir bei Ihnen?«
    »Kurz nach Ihrer Geburt. Es war einer ihrer letzten Besuche.« Er stellte die Tasse ab. »Kommen Sie. Ich habe etwas für Sie.«
    Vorsichtig bahnte er sich einen Weg über den Pfad. Ich beobachtete ihn eindringlich, während mir die Bemerkung noch in den Ohren klang, die er so beiläufig hatte fallen lassen. Es war einer ihrer letzten Besuche.
    Ich wollte ihm folgen, aber Zee trat mir in den Weg und hob die Hände. Ich nahm ihn auf die Arme, und er drückte seinen Mund an mein Ohr. »Wir haben es versprochen, Maxine. Mommy hat es von uns verlangt. Wir durften nicht über den Manipulator sprechen.«
    »Warum nicht?«, flüsterte ich.
    Zee zögerte. »Blick tiefer, unter die Haut. Manipulator ist nur Haut.«
    Ein Rätsel. Das war nicht das Schlechteste. Aber es bereitete mir Unbehagen, obwohl ich mich doch nur freuen wollte.
    Jack wartete auf der anderen Seite des Raumes, vor einem freistehenden Buchregal, das als Raumteiler diente. Dahinter befanden sich ein Waschbecken, ein Ofen, eine Geschirrspülmaschine und vier kleine Dämonen, die gerade den Rest einer Werkzeugkiste verspeisten. Dazu ein Tisch, der bemerkenswerterweise nur halb von Büchern bedeckt war, außerdem ein Kühlschrank, der zwanzig Jahre zu alt war, und eine Tür, die vermutlich in ein Schlafzimmer oder auf eine Toilette führte.
    Jack murmelte leise vor sich hin, und ich versuchte, mir jede Einzelheit des alten Mannes einzuprägen, der sich, immer noch im Smoking, in dem Labyrinth aus Büchern und Dokumenten verlor. Es war wie ein Schatz, ein reines Entzücken. Und besser als alles, was ich mir hätte vorstellen können.

    In diesem Moment hätte ich ihn fast gefragt, auf der Stelle. Die Worte wären mir beinahe entschlüpft. Es kostete all meine Willenskraft, sie zurückzuhalten, aber ich hatte einfach zu viel Angst. Angst vor mir selbst. Jack Meddle war ein Fremder, und ich hatte keinen Grund, ihm zu vertrauen oder ihm zu glauben.
    Obwohl ich es wollte. Ich wollte, dass Jack ja sagte, ich wollte, dass er zur Familie gehörte. Ich wollte es so sehr, dass ich es geradezu schmecken konnte.
    Und wenn es jemand anders war, nicht er … das wollte ich nicht erfahren. Noch nicht. Lieber tat ich so, als ob, jedenfalls eine kleine Weile noch.
    »Hier.« Jack lächelte triumphierend. Ich beugte mich mit Zee in den Armen vor und betrachtete den Gegenstand, den der alte Mann in den Händen hielt. Es war in feines Leinen eingeschlagen, das er jetzt zurückklappte. Ein flacher, runder Stein kam zum Vorschein. Eine Scheibe. Die tiefen, konzentrischen Rillen auf ihrer Oberfläche schienen zu schimmern, als wäre der Stein mit Perlenadern durchzogen.
    Er verschwamm mir vor den Augen, und mein Magen verkrampfte sich. Ich suchte Halt am Küchentisch, und Zee umklammerte meinen Hals fester.
    »Was ist das?« Meine Stimme hörte sich fremd an.
    »Ein Geschenk«, erwiderte Jack gedehnt. »Von Ihrer Mutter. Sie sagte, falls wir uns jemals … zufällig träfen, sollten Sie es bekommen.«
    »Zufällig … träfen?« Ich rieb mir die schmerzenden Augen. »Wie groß war diese Chance wohl?«
    »Immerhin, mein liebes Mädchen, sind Sie jetzt hier, oder nicht?«
    Rohw und die anderen hörten auf zu fressen, hockten auf dem Boden und starrten auf den Stein in Jacks Hand. Dek und
Mal zuckten aus dem Schatten, kamen herauf in mein Haar und legten sich um meine Schultern.
    Er hielt mir die Scheibe hin. Ich nahm sie entgegen. Meine Hand kribbelte, und Zee schien die Luft anzuhalten.
    Doch nichts geschah. Es war nur ein Stein. Ein glatter Stein, so poliert, dass er butterweich glänzte. Vielleicht war es ein Sandstein. Er fühlte sich gut an, und das Muster war schlicht. Diese Kreise in den Kreisen. Ich berührte den äußersten Ring, schob den Finger in die

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