Gefaehrtin Der Daemonen
Schultern, eine durch und durch beiläufige Geste. Vielleicht spielte er das aber auch nur. »Gewisse Beziehungen ziehen eine unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich. Daran ist nichts zu ändern.«
Gewisse Beziehungen . Meine Großmutter. Aber er war ein wenig zu gelassen, als dass ich es ihm geglaubt hätte. »Jack. Wer sind Sie?«
Er sah mich überrascht an. »Ein Archäologe natürlich. Das wissen Sie doch.«
»Und selbstverständlich hat man als einfacher Archäologe Kenntnis von … Dämonen.«
»Eigentlich nicht«, erwiderte er etwas gereizt. »Das hat mit meinem Beruf selbstverständlich nicht das Geringste zu tun.«
Ich sah ihn verwundert an. Ich hatte sogar Angst um ihn. Aber Jack wedelte nur mit der Hand und führte mich an einem kleinen
Raumteiler aus Rosenholz vorbei, in den Spatzen und Kirschblüten geschnitzt waren. Er verbarg eine schmale weiße Tür und eine ebenso schmale Treppe. Wir gingen in den ersten Stock hinauf, der so anders als das Erdgeschoss war, dass ich mich erst einen Augenblick lang orientieren musste. Außerdem fragte ich mich unwillkürlich, ob ich lebendig begraben würde.
Tische standen da, wohin das Auge auch blickte, lange, hölzerne Tische, auf denen sich Papier und Bücher stapelten, ganze Berge davon. Überall. Die Wände verschwanden hinter Buchregalen, die ebenfalls überquollen, und der einzige Weg durch den Raum, dessen Boden ebenfalls mit Büchern bedeckt war, bildete ein langer, schmaler Pfad, der jedoch jeden Moment von einer Lawine aus Buchstapeln verschüttet zu werden drohte. Ich sah Holzkisten mit Verpackungsmaterial und Metall, Statuen auf Tischen, Tonscherben. Ein Fenster aber fand ich nicht. Als wäre ich von einem großen Kokon aus Papier umhüllt, warm und unordentlich. Brennende Lampen tauchten alles in ein goldenes Licht, und im Hintergrund sang leise Jimmy Durante.
»Machen Sie es sich gemütlich«, sagte Jack und fuhr dann fort: »Zee, du kannst rauskommen. Kein Grund für Formalitäten.«
Ich biss mir auf die Zunge. Zee tauchte unter einem Tisch auf, gefolgt von Rohw und Aaz. Die Jungs schlichen herum und witterten schnüffelnd. Jack beobachtete sie mit demselben traurigen Lächeln, das ich schon im Museum an ihm wahrgenommen hatte.
»Alter Wolf«, schnarrte Zee.
»Kleiner Junge«, erwiderte der alte Mann. »Immer noch derselbe.«
»Wie du.« Zee grinste ihn zahnblitzend an. »Dumme Haut.«
Ich verschränkte die Arme vor meiner Brust. Jack warf mir einen kurzen Blick zu und lachte leise. »Den Ausdruck kenne ich.«
Ich runzelte die Stirn. »Ich kann mir nicht vorstellen, woher.«
»Von Jeannie.« Jack ging weiter über den schmalen Pfad. »Und von Ihrer Mutter.«
Ich war ihm gefolgt, blieb jetzt aber stehen. »Sie kannten meine Mutter?«
»Flüchtig. Sie waren noch ein Baby.« Ich konnte Jack nicht mehr sehen, hörte aber, wie er mit irgendetwas herumklapperte. »Tee?«
»Nein.« Ich war von dieser merkwürdigen Begegnung unten in der Galerie immer noch gereizt. »Wieso weiß ich davon nichts?«
»Meine Liebe, ich habe vor langer Zeit schon gelernt, niemals an einer Frau zu kritisieren, wie sie ihr Kind aufzieht, vor allem bei diesen ganz besonderen Frauen in Ihrer Familie würde ich das nicht tun. Das sind doch höchst störrische Kreaturen.«
Meine Knie befahlen mir, mich unverzüglich hinzusetzen. Ich hockte mich auf den Rand eines Tisches und schob mit der Hüfte einen Stapel Papier und ein Glas mit alten Pennys zur Seite. Aaz legte seinen Kopf auf mein Knie und sabberte etwas, als ich ihn hinter den Ohren kraulte. »Das klingt, als hätten Sie sie gut gekannt.«
Jacks gedämpfte Antwort nahm ich als ein Ja. Ich hörte Tassen klappern und hätte ihn gern mehr gefragt, zum Beispiel: Darf ich dich Großvater nennen? Aber das war zu viel und außerdem vollkommen verrückt. Als ich jedoch versuchte, eine andere Frage zu stellen, weigerte sich mein Mund, die Worte zu bilden. Mein Körper wollte schweigen. Also gehorchte ich, gab mich dem sanften Schweben im Wahnsinn hin, und betrachtete die Bücher, an denen ich lehnte.
Die meisten handelten überraschenderweise von nordeuropäischen mythischen Traditionen. Vor allem von denen der Feen
und Märchen, und unter diesen wiederum von einer ganz besonderen Tradition, der Wilden Jagd.
Das Konzept war mir bekannt, auch wenn ich keine Expertin war. Aber ich war während meiner Ausflüge in die Buchläden und Bibliotheken schon darauf gestoßen. Ich hatte das vage Bild eines Mannes in einem
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