Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gefaehrtin Der Daemonen

Titel: Gefaehrtin Der Daemonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
Vom Netzwerk:
Kommen Sie morgen wieder. Dann reden wir.«
    »Nein.« Es gelang mir zu sprechen, aber ich klang heiser. »Ihr Verlust tut mir leid, aber ich brauche Antworten.«
    »Sie brauchen gar nichts!«, fuhr sie mich an.

    »Sarai«, mischte sich Jack ein. Die Frau drehte sich ohne ein weiteres Wort herum und ging mit unglaublich federnder Anmut über den schmalen Pfad der Bücherschlucht. Sie sah sich nicht um.
    Ich wollte ihr nachjagen, und das hätte ich auch getan, wenn sich der Griff von Jacks Hand nicht verstärkt hätte. »Lassen Sie sie.«
    Ich unterdrückte eine harsche Erwiderung. »Sie sind ein seltsames Paar.«
    »Wir haben Jahre Zeit gehabt, unsere Meinungsverschiedenheiten auszutragen«, antwortete der alte Mann. Sein liebenswürdiger Ton machte es mir unmöglich, ihm länger böse zu sein.
    Ich strich mein Haar zurück und legte die Hand auf meinen schmerzenden Kopf. »Woher weiß sie, wer ich bin? Haben Sie es ihr erzählt?«
    Jack antwortete nicht. Ich sah ihn an. Sein Blick war auf die Stelle unmittelbar hinter meinem Kiefer gerichtet, den ich entblößt hatte. Ich brauchte einen Moment, dann erinnerte ich mich, wie Oturu mich mit seinem Haar dort getroffen hatte. Ich hatte es schon wieder vergessen, aber Jack starrte auf die Stelle, während seine Wangen bleich wurden. Unten war er so ruhig gewesen, so aufgeräumt trotz aller Vorkommnisse, dass ich es kaum für möglich gehalten hätte, jetzt einen solchen Ausdruck auf seinem Gesicht zu sehen.
    Aber er starrte den Punkt hinter meinem Kiefer an, als wäre dort eine Atombombe versteckt, deren Countdown bereits seit zehn Sekunden heruntertickte. Es war ein Ausdruck resignierter, erstarrter Furcht.
    Als wollte er weglaufen und wusste, dass es zu spät war.
    Ich berührte die Stelle und fühlte die Eindrücke. Dann sah ich mich nach einem Spiegel um. Neben dem Spülstein hing einer, gleich neben einer Kopie von Everett Wheelers Vokabular
militärischer Listen , auf dessen Deckblatt ein gefährlich angerostetes Rasiermesser, eine Holzschale mit altmodischer Rasierseife und ein Borstenpinsel lagen.
    Der Spiegel war zierlich, aber schwer, in Silber gerahmt. Das Glas schien zu schimmern, als ich hineinsah. Unter meinem Ohr sah ich einen kleinen Fächer aus Linien, die beinahe nicht zu erkennen waren. Es waren weder Striemen noch Blutergüsse. Nur Eindrücke, als hätte man mich mit einem kalten Eisen gebrandmarkt, und zwar so heftig, dass es ein ständiges Mal hinterließ. Die Linien schienen ineinanderzufließen, als würden sie sich entrollen, wie der Umriss eines Flügels. Oder eines Umhangs. Oder wie das lebendige Haar dieses Dämons.
    Ich hielt den Atem an. Jacks Blick war leer und abwesend.
    »Sie kennen das«, flüsterte ich. »Sie wissen, was es bedeutet.«
    Er zögerte. »Nein. Aber ich weiß, wer es Ihnen gegeben hat.«
    Ich hätte den Spiegel fast fallen lassen. »Wie kann das sein?«
    Jacks warme Hand glitt über meine, ein kurzer Kontakt, auf den ich vollkommen unvorbereitet war. Ich stand wie erstarrt da, bis mir klar wurde, dass er mich nur berührt hatte, um mir den Spiegel aus der Hand zu nehmen. Dann legte er ihn sehr behutsam wieder zurück. »Morgen, meine Liebe. Wir werden hier sein.«
    »Wir sind doch jetzt schon hier.« Mein Protest speiste sich teilweise aus der irrationalen Furcht, dass ich den alten Mann nie mehr wiedersehen würde, wenn ich ihn jetzt verließ. Gleichzeitig kam ich mir deswegen schwach vor, so schwach wie ein Kind. Ich drückte die Steinscheibe in meine Handfläche, bis es wehtat. Der Schmerz war die einzige Möglichkeit, mir meiner wieder bewusst zu werden, aber selbst das war umsonst.
    Zee umfing mein Bein und sah mich flehentlich an. Die Jungs beobachteten mich. Sie kannte ich ja auch kaum.
    »Morgen?« Ich sah Jack an. »Versprechen Sie es?«

    »Keine Macht dieser Welt könnte mich dazu bringen, dass ich mein Wort Ihnen gegenüber breche.« Er sagte das mit so viel feierlicher, ernster Würde, als wäre ein Versprechen, das Jack gab, etwas, das man auf einer Schatzkarte eintragen und an dem man sich mit absoluter Gewissheit festhalten könnte.
    »Also gut«, stieß ich hervor. Aber bevor Jack entspannen konnte, fuhr ich fort: »Nur eine Frage noch: Wieso kennt mich Sarai?«
    Jack seufzte. »Sie hat auch Jeannie kennengelernt. Und Ihre Mutter.«
    »Das ist doch unmöglich. Meine Mutter vielleicht, aber auf keinen Fall meine Großmutter. Dafür ist diese Frau viel zu jung.«
    »So jung ist sie gar nicht. Sie müssen

Weitere Kostenlose Bücher