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Gefällt dir, was du siehst?

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Titel: Gefällt dir, was du siehst? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Bernhard
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den Deckel dann wieder zu. „Herr Strecker, Herr Strecker, ich muss schon sagen …“
    Ich lächelte bescheiden.
    „… dass ein Mann mit Ihrer Genauigkeit und Ihren Fähigkeiten …“
    Na also, ging doch. Harte Arbeit lohnte sich eben doch.
     „… sich einfach nicht merken kann, dass ich keine Serifenschriften wie die Times für solche Unterlagen mag. Aber daran wollen wir uns natürlich nicht aufhalten. Schicken Sie mir die Datei doch einfach gleich noch einmal in veränderter Form zu.“
    „Ja, natürlich“, sagte ich lahm.
    „Wenn Sie mich jetzt entschuldigen? Ich muss noch ein bisschen die Schwingung des Raums hier auf mich wirken lassen, gleich kommen die Herren von der Firma Möntner, da ist es wichtig, mit allen Sinnen vorbereitet zu sein“, verwies sie mich des Raums.
     
    „Haben Sie kurz Zeit?“
    Ich blickte von meinem Bildschirm auf. Gregor Tennes, einer der Durchläufer, die mir besonders viel zusätzliche Arbeit bereiteten, stand lässig in der Tür zu meinem Büro.
    „Ja klar, kommen Sie rein.“ Ich bot ihm mit einer Geste an, sich zu setzen, aber er schüttelte den Kopf.
    „Geht ganz schnell“, erklärte er. „Sie wissen ja, Freitag ist der letzte Tag im Monat – aber ich finde es höflicher, Ihnen das hier schon heute zu geben.“ Lässig warf er mir einen Umschlag auf den Tisch.
    Ich seufzte. „Ihre Kündigung, nehme ich an?“
    Er nickte. „Wird Zeit für mich, eine neue Herausforderung zu suchen.“
    „Dafür wünsche ich Ihnen natürlich alles Gute. Sie …“ Sie werden uns fehlen, Herr Tennes. Es war eine Freude, mit Ihnen zu arbeiten. Ja, natürlich können Sie sich darauf verlassen, ein erstklassiges Zeugnis von uns zu bekommen. Machen Sie sich keine Gedanken wegen der Einarbeitung Ihres Nachfolgers, das übernehme ich – und wenn Sie ein paar Tage früher ausscheiden wollen, sprechen Sie doch einfach mit unserem Personalchef, der kann da etwas für Sie arrangieren, Sie haben ja sicher genug Überstunden. Ich konnte diese Sätze herunterbeten, schließlich hatte ich sie schon oft genug gesagt. Dass Tennes – wie die anderen Durchläufer auch – vermutlich nicht einmal genug Mehrarbeitszeit vorweisen konnte, um sich davon einen früheren Feierabend zu erlauben, wurde bei Rothloff International in solchen Situationen nicht weiter hinterfragt: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, war die Devise meiner Chefin, wenn es um Kündigungen ging. Also ließ ich jeden, der gehen wollte, mit einem Lächeln von dannen ziehen.
    „Sie …“, versuchte ich mich erneut an meinem freundlichen Monolog.
    Tennes sah mich erwartungsfroh an. Er wusste schließlich auch, dass ich noch nie einem seiner Vorgänger einen Knüppel zwischen die Beine geworfen hatte.
    „Sie sind dann in zwei Tagen und drei Monaten ein freier Mann“, sagte ich. „Wenn ich es richtig im Kopf habe, müssten Sie nach Ihrem Urlaub vor ein paar Wochen doch schon über der Tagezahl sein, die Ihnen zusteht, richtig?“
    „Das … ja also … Ich hatte jetzt schon erwartet, dass Sie mir …“
    „Man erwartet manchmal das Falsche, Herr Tennes“, erklärte ich sachlich. „Ich leite Ihre Kündigung an die Personalabteilung weiter.“ Damit wandte ich mich wieder meinem Bildschirm zu. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass der Durchläufer mich einen Moment lang fassungslos anstarrte, dann aber den Rückzug antrat. Für einen kurzen Moment fühlte ich mich großartig.
    Leider verschwand das Gefühl so schnell, wie es gekommen war.
     
    Mein schlechtes Gewissen trieb mich dazu, für den Nachmittag von einer nahen Bäckerei eine süße Überraschung für das Team kommen zu lassen. „Ich liebe meinen Chef!“, rief Hedi, als sie genussvoll in ein Plunderteilchen biss. Gregor Tennes und die anderen Durchläufer waren offensichtlich nicht gewillt, sich dieser Meinung anzuschließen. Ich absolvierte den nötigen Smalltalk, der von 16:45 bis 17:30 Uhr dauerte. Das verbale Spießrutenlaufen – außer Hedi hatten sich offensichtlich auch noch einige der Angestaubten mit dem jungen Kollegen solidarisiert – wurde dadurch beendet, dass meine Mitarbeiter sich in den Feierabend verabschiedeten.
    Ich räumte die Becher und Teller in die Teeküche und ging dann wieder an meine Arbeit. Eine Stunde später bekam ich ein schlechtes Gewissen gegenüber der Putzfrau und machte mich noch einmal auf den Weg, um die Sachen selbst in die Spülmaschine zu räumen.
    „War ich kein artiges Mädchen“, begrüßte mich

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