Gefaelschtes Gedaechtnis
verdient?«
»Ja.«
»Nein. Ich glaube, der Brewster-Fall war überhaupt das erste Mal. Und da hat er nur deshalb als Experte ausgesagt, weil er mit dem Burschen zur Uni gegangen ist.«
»Dann ist also auf ihn Verlass«, sagte Adrienne.
»Absolut. Bleib dran. Ich such dir seine Nummer raus.«
Dann dankte sie ihm, und sie verabschiedeten sich. Das Lachen aus dem Fernseher auf der anderen Seite der Tür wurde lauter und leiser. Was würde sie Shaw sagen? Und was erhoffte sie sich von ihm?
Dr. Shaw, ich bin hier in einem Haus zusammen mit einem Mann, der sich für einen Psychologen hält, es aber nicht ist. Er hat meine Schwester therapiert, und sie hat Selbstmord begangen, und seitdem versucht jemand, mich umzubringen — oder vielleicht auch uns beide, ich weiß es nicht. Jedenfalls ist er nicht der, für den er sich hält — die Person ist schon lange tot. Und ich hab mir gedacht, dass Sie ihm vielleicht helfen könnten, sein Gedächtnis wiederzufinden, damit wir eine Chance haben herauszufinden, was eigentlich los ist, und ich vielleicht mein Leben wieder in den Griff bekomme.
Mmm. Lieber nicht. Wenn Shaw so einen Anruf kriegt, ruft er umgehend in der nächsten Klapsmühle an. Ich hab da eine Verrückte in der Leitung ...
Sie schlug eine neue Seite des Notizblocks auf und schrieb ganz oben Shaw. Dann trommelte sie kurz mit dem Stift auf das Blatt und fügte hinzu: Anwalt — Fellowes — Fall Brewster.
Sie seufzte. Es wäre gut, wenn sie etwas mehr über diese Brewster-Sache wüsste. Dann würde es nicht so aussehen, als würde sie aus heiterem Himmel anrufen. Am einfachsten wäre es, bei Nexis nachzusehen.
Nikkis Laptop war im Wagen. Um Zugriff auf die Website zu bekommen, die über 5000 Zeitungen und andere Publikationen aus den letzten zwanzig Jahren archiviert hatte, brauchte sie nur die Benutzerkennung der Kanzlei und das Passwort. Beides hatte sie im Kopf. Wie jeder im Büro. Die Benutzerkennung war 1SLOUGH1, wie Curtis' Autokennzeichen. Und das Passwort lautete »cop« — ein typischer kleiner Scherz vom Big Boss.
Sie ging aus der Küche, um den Laptop zu holen, und durchquerte das Wohnzimmer, wo Duran auf der Couch lag. Sie blieb stehen und sah, was er sich anschaute. Ally McBeal. »Gucken Sie sich gern so Sendungen an?«
Er überlegte einen Moment und zuckte die Achseln. »Kann sein.«
Er war völlig teilnahmslos, fast apathisch, als hätte er ein Beruhigungsmittel genommen. Er wirkte seltsam. Als wäre nichts von ihm in ihm.
Sie nahm den Laptop ihrer Schwester aus der Tragetasche, stellte ihn auf die Arbeitsplatte in der Küche und wartete, bis er hochgefahren war. Als Erstes würde sie Bette und Slough das McEligot-Memo mailen, damit sie sahen, dass sie nicht untätig gewesen war.
Als sie in der Tragetasche nach dem externen Modem suchte, stieß sie auf eine Packung Kaugummi, zwei rosa Haarklammern und ein kleines Tablettenfläschchen mit der Aufschrift
Nicole Sullivan
Einnahme nach ärztlicher Anweisung
Und darunter in Nikkis energischer Handschrift: Placebo 1. Wie bitte? Sie schraubte das Fläschchen auf und schüttelte sich ein paar Tabletten in die hohle Hand. Es waren Kapseln, gefüllt mit einem braunen Pulver, ohne Aufdruck eines Pharmaunternehmens. Was war das? Ein Vitaminpräparat? Vielleicht. Aber das Fläschchen sah nicht danach aus, eher, wie ein reguläres Medikamentenfläschchen. Und Placebo 1? Sollte das ein Witz sein?
Sie stellte das Fläschchen auf die Arbeitsplatte und nahm sich vor, Duran später danach zu fragen. Doch zuerst: Nexis.
Sie fand das Modem, schloss es an und startete den Computer neu. Dann klickte sie Nexis-Lexis an und gab Passwort und Benutzerkennung ein. Das Web war langsam, und sie brauchte eine halbe Stunde, bis sie alles heruntergeladen hatte, was sie suchte: Ein Porträt von Doctor Shaw, das in der New York Times erschienen war, eine Hand voll Artikel über Erinnerung und zwei kurze Beiträge über die Brewster'sche Scheidung.
Shaw war 57 Jahre alt, hatte die Erasmus Hall High School, das Brooklyn College und Yale besucht, wo er Neurobiologie und Psychologie studierte. Ein Foto von ihm zeigte einen freundlichen Mann mit ungebärdigen Augenbrauen in Rollkragenpullover und sportlichem Tweedjackett. Dem Porträt nach war Shaw Leiter der Forschungsbiologie an dem der Columbia University angeschlossenen Zentrum für die Neurobiologie von Lernen und Erinnern, und überdies ein beliebter Dozent im Fachbereich Psychiatrie. Er schrieb regelmäßig
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