Gefaelschtes Gedaechtnis
zu den Bandaufnahmen, die der Therapeut von seinen Sitzungen mit Mrs. Brewster gemacht hatte, war besonders scharf.
»Er beschwatzt sie regelrecht«, erklärte der Professor dem Gericht. »Wenn man mal genau auf die Fragen achtet, die er ihr stellt, dann wird deutlich, dass er per Implikation Szenarien vorschlägt, die sie dann übernimmt. Das Ganze entwickelt sich zu einer echten Kollaboration, einer Art pseudotherapeutischer Verschwörung, wenn sie die jeweiligen Szenarien idiosynkratisch verändert und er diese Veränderungen fördert, indem er sie zum exakt richtigen Zeitpunkt deutlich mit Mitgefühl und Anerkennung belohnt.«
Adrienne machte den Laptop aus, stand auf und reckte sich. Allmählich ging ihr das Dröhnen der Brandung auf die Nerven.
»He«, rief sie Duran zu. »Sind Sie wach?«
Er erschien in der offenen Küchentür und sah zerknautscht und verschlafen aus. »Mehr oder weniger.«
»Diese Bänder, die Sie aufgenommen haben, wissen Sie noch?«, fragte sie.
»Für die Versicherung?«
Adrienne nickte. »Ich hab mir gedacht, Sie könnten doch mal da anrufen und fragen, ob die Ihnen Kopien zuschicken.«
Duran warf ihr einen fragenden Blick zu. »Sie meinen ... jetzt?« Sie musterte ihn von oben bis unten. »Na ja ... klar, jetzt. Es sei denn, Sie haben zu viel zu tun ...«
Er warf einen Blick auf die Uhr und lächelte sie aufreizend träge an. »Ich glaube, ich hab gerade fünf Minuten Luft.« Er ging ins Wohnzimmer und schaltete den Ton vom Fernseher aus. Dann griff er zum Telefon und rief die Auskunft an. Sie hörte ihn sagen: »Ich hätte gern die Nummer von Mutual General Assurance. M-G-A. Mutual General Assurance.« Eine Weile lauschte er, dann legte er auf.
»Und?«
»Es gibt keinen Eintrag für die Firma. Das versteh ich nicht, ich hab doch die Adresse. Ich meine, ich schicke denen zwei- bis dreimal pro Woche Bänder. Da fällt mir ein« — er klopfte die Taschen seines Sportjacketts ab — »ich habe sogar noch eins hier.« Er nahm eine Kassette aus der Innentasche und legte sie auf die Arbeitsplatte. »Ich bin nicht mehr dazu gekommen, sie wegzuschicken, aber ich kann die Adresse auswendig: 1752 Avenue of the Americas, Suite 1119. Das ist in Manhattan.«
»Ich seh mal im Web nach«, sagte sie und wandte sich erneut dem Laptop zu.
»Mutual General Assurance«, sagte er.
»Ich weiß, ich hab's jetzt oft genug gehört.« Während das Modem sich ins Web einwählte, nahm sie das Tablettenfläschchen, das sie in der Computertasche gefunden hatte, und hielt es ihm zwischen Daumen und Zeigefinger entgegen. »Haben Sie das hier schon mal gesehen?«, fragte sie.
Er nahm das Fläschchen und studierte es, während sie Mutual General Assurance im Web suchte. Schließlich stellte er es zurück auf die Platte und schüttelte den Kopf. »Vielleicht noch in der klinischen Versuchsphase«, mutmaßte er. »Aber ... >Placebo 1<. Kann ich mir eigentlich nicht vorstellen.«
»Vielleicht ist sie ja zu einem Homöopathen gegangen oder so«, sagte Adrienne.
»Glauben Sie das wirklich?«
Achselzuckend steckte sie das Fläschchen ein und dachte bei sich, vielleicht lasse ich die Tabletten analysieren ... Schließlich erschien auf dem Bildschirm vor ihr eine Liste mit Versicherungsgesellschaften. Alles in allem, waren es neun Einträge für Firmen, deren Namen irgendeine Kombination der Wörter Mutual, General und Assurance enthielten. Aber in New York gab es weder eine Mutual General Assurance Company noch irgendetwas, das auch nur im Entferntesten daran erinnerte.
»Sehen Sie selbst«, sagte sie, als Duran sich über ihre Schulter beugte und den Bildschirm betrachtete. Sie scrollte nach unten. »Lohnt es sich, die anzurufen?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Andere Namen, andere Anschriften. Hat keinen Sinn. Notfalls könnten wir nach. New York fahren, aber ...«
»Was ist eigentlich auf dem Band da?«, fragte sie und tippte mit dem Fingernagel darauf.
»Ein Klient. Holländer.« Kaum hatte er das gesagt, da wurde er aschfahl. »0 Gott! Was für ein Tag ist heute?«
»Montag.«
Er blickte niedergeschmettert drein, drehte sich auf dem Absatz um, wandte sich dann wieder Adrienne zu und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Das ist wirklich nicht gut«, sagte er.
»Was denn?«
»Ich hab meinen Termin verpasst!« Duran drehte die Augen zur Decke und stöhnte.
»Im Ernst?«
Den Sarkasmus in ihrer Stimme hörte er gar nicht. »Einfach so zu verschwinden — ich weiß nicht, was er anstellen wird.
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