Gefaelschtes Gedaechtnis
nachsehen, nicht nur den Ort, sondern auch La Resort. Vielleicht vermietete das Mayflower Laptops — aber nein. Ein Anruf bei der Rezeption brachte ihr eine Entschuldigung und die Information ein, ganz in der Nähe wäre ein Internetcafé, nur zwei Straßen weiter.
Ein Collegestudent, der dort jobbte, nahm ihre Kreditkarte und wies ihr einen Computer zu. Sie gab Longboat Key in der Lycos-Suchmaschine ein und betätigte die Return-Taste. Sekunden später blickte sie auf eine Luftaufnahme von einer lang gestreckten Insel vor der Küste Floridas. Auf einer anderen Karte sah sie, dass die Insel etwa eine Stunde Fahrtzeit von Tampa entfernt lag und durch einen Damm mit Sarasota verbunden war.
Damit stellte sich die Frage: Was hatte Nikki dort gemacht? Hatte sie einen. Freund? Vielleicht, aber wenn ja, hätte sie ihn doch bestimmt erwähnt. Also was sonst? Was war so wichtig, dass ihre Schwester Jacko in einer Hundepension unterbrachte — nach Ansicht Nikkis, wie Adrienne wusste, ein »Hundegefängnis« —, um dann mit dem Zug den weiten Weg bis nach Florida zu fahren? Und wieso mit dem Zug? Nikki hatte nie Angst vorn Fliegen gehabt.
Sie wippte mit dem Fuß. Dachte nach.
Eigentlich hatte Nikki sich im vergangenen Jahr nur für eines interessiert, und zwar für Missbrauch durch Satanisten. Sie hatte von nichts anderem geredet. Also ... vielleicht hatte dort irgendeine Tagung stattgefunden. Eine Tagung für »Überlebende«.
Sie beschloss, es mit Nexis zu probieren, und gab die Benutzerkennung und das Passwort von Slough & Hawley ein. Als das Such-Menü erschien, gab sie Longboat Key an und Satanismus und be grenzte die Suche auf die letzten 12 Monate. Der Computer bearbeitete die Informationen und förderte ... absolut nichts zu Tage. Keine Dokumente.
Sie versuchte es anders. Vielleicht war es ja schon ein erster Schritt, wenn sie herausfand, was vom 7. bis zum 12. Oktober auf Longboat Key überhaupt los gewesen war. Dann konnte sie möglicherweise eins und eins zusammenzählen.
Die neue Suche erbrachte achtundneunzig Artikel. Sie überflog rasch die Schlagzeilen, die Namen der Zeitungen, die Daten und die Verfasserzeilen. Die meisten Artikel waren nicht zu gebrauchen, es ging um Weinfeste, Galerieeröffnungen, Tennisturniere und Golfmatches. Aber eine Story unterschied sich von allen anderen, und ihr blieb fast das Herz stehen, als sie die Überschriften las.
Mord im La Resort:
Polizei steht vor einen Rätsel
Mord an Rollstuhlfahrer:
Touristen schockiert
Prominenter Opfer eines Scharfschützen
Jetzt wusste sie, warum ihre Schwester mit dem Zug gefahren war. Im Zug kann man unbemerkt ein Gewehr mitnehmen ... Sie rief den Text eines Artikels auf, der am 1.1. Oktober in der Tampa erschienen war:
Calvin F. Crane, 82, Dauergast im La Resort, wurde gestern Abend erschossen, während er sich in seinem Rollstuhl auf der Strandpromenade der Hotelanlage den Sonnenuntergang ansah. Nach Angaben der Polizei muss es sich bei der Tatwaffe um ein Präzisionsgewehr mit Schalldämpfer gehandelt haben. Die Kugel, die die Wirbelsäule des alten Mannes durchschlug, wurde sehr wahrscheinlich von einem der Hochhäuser mit Blick auf den Strand abgefeuert. Crane wurde ins Sisters of Mercy Memorial Hospital gebracht, wo jedoch nur noch sein Tod festgestellt werden konnte. Wie aus der Polizei nahe stehenden Kreisen verlautete, stehen die Ermittler vor einem Rätsel. »Der Mann war unheilbar an Krebs erkrankt«, so eine Informationsquelle. »Die Ärzte hatten ihm höchstens noch ein Jahr gegeben.«
Cranes jamaikanischer Pfleger, Leviticus Benn, wurde von der Polizei vernommen und als Täter ausgeschlossen.
Adrienne las weiter, überflog die Artikel, wie elektrisiert durch die Wörter »Scharfschütze« und »Präzisionsgewehr«. Den Zeitungen zufolge hatte der jamaikanische Pfleger gar nicht bemerkt, dass auf seinen Schützling geschossen worden war — bis jemand schrie, der das Blut gesehen hatte. »Ich habe nichts gehört«, sagte er der Polizei gegenüber, »und auch niemanden mit einer Waffe gesehen.« Da auch sonst niemand etwas gehört oder gesehen hatte, ging die Polizei davon aus, dass der Mörder einen »Schalldämpfer« benutzt hatte. Adrienne erinnerte sich an das dicke, schwarze Rohr in dem limonengrünen Koffer im Schrank ihrer Schwester.
Erschwerend für die Ermittlungen kam hinzu, dass der Pfleger den Rollstuhl mit Crane bereits wieder vom Strand zum Swimmingpoolbereich geschoben hatte, bevor er merkte, was
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