Gefärhlich tiefe Sehnsucht (German Edition)
wollte weder seine Macht noch sein Geld. Ob es ihr bewusst war oder nicht, sie wünschte sich nur eines: Sie wollte sein Herz. Dabei wusste er nicht einmal, ob er überhaupt in der Lage war, sein Herz zu verschenken.
Liebe bedeutete Vertrauen. Liebe bedeutete Hingabe. Liebe bedeutete Verlust – oder das Risiko einzugehen, einen Verlust zu erleiden. Das war gut, solange man diese Erwartungen an den anderen stellte und selbst verschont blieb. Wie lange hatte Joc daran gearbeitet, sich vor genau solchen Bedrohungen zu schützen? Ein ganzes Leben lang. Irgendwie stellte Rosalyn das alles auf den Kopf. Sie war in seine Welt gestürmt und hatte ihn verändert, und er konnte es nicht rückgängig machen. Er würde nie wieder derselbe Mann sein, der er gewesen war.
„Joc?“
Er lächelte darüber, wie sie seinen Namen aussprach. Es klang fast wie ein Seufzen. „Ich bin hier, Rosie.“
Die Augen geschlossen, erzählte sie matt und sehnsüchtig: „Ich habe geträumt. Wir haben einen sagenhaften Baum gepflanzt, den größten Baum auf der ganzen Welt. Und dann stand er mitten in einem riesigen Wald, in dem lauter märchenhafte Wesen leben. Ich wünschte, wir könnten dort hingehen.“
Sanft streifte er ihren Mund mit den Lippen. „Habe ich dir beim Pflanzen geholfen?“
„Natürlich … Joc?“
„Ich bin immer noch da.“
„Lass uns morgen einen Baum pflanzen.“
Er schloss die Augen. „Die Idee gefällt mir.“
Noch besser würde ihm gefallen, den Baum wachsen zu sehen. Wie er die Zweige ausbreitete, das Sonnenlicht durch sein Blätterdach hindurchblitzte und dann ein ganzer Wald um ihn herum entstand. Seltsamerweise fand Joc diese Vorstellung reizvoller als jedes Projekt, zu dem man ihm in letzter Zeit Unterlagen gereicht hatte. Eigentlich fand er den Traum interessanter als sämtliche Projektbeschreibungen, die jemals über seinen Schreibtisch gegangen waren.
Und in diesem stillen Moment, während die Nacht in den Tag überging, als die Nachtvögel verstummt und die Sperlinge noch nicht sangen, ergab Joc sich dem Schicksal. Er schlang den Arm um Rosalyns Taille und berührte ihren
Bauch, in dem seine Zukunft schlummerte.
Nein, nicht seine, ihre gemeinsame Zukunft.
Der nächste Morgen begann mit einem alarmierenden Anruf. Claire bat Rosalyn und Joc, so schnell wie möglich zur Ranch zu kommen. Während der Autofahrt sahen sie dunkle Regenwolken heraufziehen, die ein Gewitter ankündigten. Denn mit jeder Meile, die sie fuhren, wurde der Himmel dunkler.
„Ich verstehe das nicht“, sagte Rosalyn besorgt. „Warum hat sie uns nicht gesagt, was los ist?“
„Sie wird es uns erklären, sobald wir dort sind“, versuchte Joc, sie zu beruhigen.
Rosalyn wurde blass. „Es hat wieder ein Feuer gegeben. Irgendjemand hat das Ranchhaus niedergebrannt.“
„Dann hätte Claire sich nicht dort mit uns treffen wollen. Reg dich nicht auf, Rosie. Was es auch ist, wir werden uns darum kümmern. Gemeinsam.“
Damit musste sie sich zufriedengeben. Und zu ihrer Erleichterung stand das Haus noch. Trotzdem beschleunigte sich ihr Herzschlag, sobald sie die Ranch erreichten. Erst als sie auf den langen Kiesweg der Zufahrt bogen, wurde Rosalyn bewusst, wie sehr sie sich danach gesehnt hatte, wieder zu Hause zu sein. Sie sah Claire, die auf der Veranda stand und bereits nach ihnen Ausschau hielt.
Kaum hatte Joc gebremst, sprang Rosalyn aus dem Wagen. „Was ist los?“, rief sie Claire zu.
„Ich fasse kurz zusammen“, erwiderte Claire. „So eine Städterin spazierte herein und bestand darauf, dich zu sprechen. Ich versuchte, sie loszuwerden, aber sie bewegte sich nicht von der Stelle. Sie wollte warten, bis du nach Hause kommst. Rosalyn …“ Hilflos hob sie die Hände. „Sie behauptet, dass ihr die Ranch gehört!“
„Was?“ Rosalyn wollte lachen, aber ihr Hals war zu trocken. Hastig ging sie durch die Vordertür und trat in die Eingangshalle, gerade als der Himmel seine Schleusen öffnete. Regen schlug gegen die Glaspaneele zu beiden Seiten der Tür. „Wo ist sie?“
„Ich habe sie ins Wohnzimmer geführt.“
Joc, der ihr dicht gefolgt war, räusperte sich. „Rosie …“
Sie wirbelte herum. „Weißt du irgendetwas über diese Sache?“
Ein langes hässliches Schweigen setzte ein, bevor Joc antwortete: „Fragst du mich gerade, ob ich einen Weg gefunden habe, dir die Ranch zu stehlen?“
Sein ausgesprochen ruhiger Ton und der kühle Ausdruck in seinen Augen hätten sie warnen müssen. Rosalyn wollte es
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