Gefahrenzone (German Edition)
Jahr kamen bis zu zehntausend Computersicherheitsprofis, Cyberkriminelle, Journalisten, Bundesbeamte und andere Computerbegeisterte mehrere Tage zusammen, um alles über neue Hacker-Techniken, -Produkte und -Organisationen zu erfahren, Vorträge anzuhören und an Wettbewerben teilzunehmen, die sich auf alle Aspekte des Hackens und Codeknackens erstreckten.
Es war das alljährliche Woodstock für die weltweit besten Hacker und Computerfreaks.
Der Kongress fand im Rio Hotel and Casino statt, das nicht direkt am Strip lag. Die meisten Teilnehmer stiegen dort oder in einem der vielen Hotels in unmittelbarer Nachbarschaft ab. Eine Gruppe von alten Freunden mietete sich dagegen Jahr für Jahr zusammen ein Haus, das ein paar Kilometer östlich in Paradise lag.
Kurz vor dreiundzwanzig Uhr bog Charlie Levy mit seinem gemieteten Nissan Maxima auf die Einfahrt des luxuriösen Ferienhauses am Ende des South Hedgeford Court ein. Das ganze Viertel bestand fast nur aus ruhigen Wohnstraßen voller solcher Ferienmiethäuser. Levy hielt am Tor an, ließ das Seitenfenster herunter und drückte auf den Knopf der Gegensprechanlage.
Während er wartete, betrachtete er den hohen Eisenzaun, der von Palmen gesäumt war, und die begrünte Auffahrt, die zu dem Sechs-Schlafzimmer-Haus hinaufführte . Er und eine Gruppe langjähriger DEFCON-Teilnehmer mieteten dieses Haus jetzt bereits seit zehn Jahren. Es war schön, wieder einmal hier zu sein.
Nach einem Piepston aus der Sprechanlage sagte eine nasale Stimme: »DarkGod? Wie lautet das Passwort, du fetter Bastard?«
»Öffne dieses Tor, du Stück Scheiße«, antwortete Levy lachend. Sekunden später glitt das Zufahrtstor lautlos zur Seite.
Charlie trat das Gaspedal durch und legte einen Kavaliersstart hin. Der Gestank von verbranntem Gummi drang ihm in die Nase. Die Reifen quietschten so laut, dass man es sicher oben im Haus hören konnte.
Charlie »DarkGod« Levy war zwar kein Gründungsmitglied der DEFCON , aber er war bereits bei deren zweiter Auflage im Jahr 1994 dabei gewesen. Als Vertreter der alten Garde war er inzwischen fast so etwas wie eine Legende.
Damals im Jahr ’94 absolvierte er gerade sein erstes Studienjahr an der University of Chicago. Gleichzeitig war er ein autodidaktischer Hacker, der einfach so zum Spaß Passwörter knackte und als Hobby Computerprogramme schrieb. Seine erste DEFCON war dann eine Erfahrung, die ihn fürs Leben prägte. Er war plötzlich Teil einer großen Gemeinde begeisterter Computerfreaks, die niemand fragten, womit er sein Geld verdiente, sondern jeden mit einer Mischung aus Argwohn und Kameradschaftlichkeit behandelten. In diesem ersten Jahr hatte er eine Menge lernen können. Vor allem erfüllte ihn seitdem ein unstillbares Verlangen, die anderen mit seinen Hackerfähigkeiten zu beeindrucken.
Nach dem College arbeitete Levy als Programmierer in der Computerspielbranche. In seiner Freizeit verfolgte er jedoch hauptsächlich seine eigenen Projekte, den Entwurf und die Konfigurierung von Computerprogrammen und die Entwicklung neuer Schadsoftware und Eindringungsmethoden.
Er hackte jedes nur mögliche Prozessorgerät und reiste Jahr für Jahr nach Vegas, um seinen Freunden und »Rivalen« seine neuesten Erfolge zu zeigen. Seine Vorträge vor dem Plenum waren berühmt, und er besaß inzwischen sogar seine eigene Fangemeinde. Nach der Konferenz waren seine Heldentaten ein wichtiges Thema in den einschlägigen Chatforen.
Charlie Levy hatte das Gefühl, sich ab jetzt jedes Jahr selbst übertreffen zu müssen. Deshalb arbeitete er immer härter, vertiefte sich immer weiter in die Geheimnisse der unterschiedlichsten Betriebssystemcodes und suchte nach immer größeren Opfern für seine Angriffe.
Nach seinem diesjährigen Vortrag würde die ganze Welt über Charlie Levy sprechen, da war er sich sicher.
Er stieg aus dem Maxima und begrüßte die fünf Freunde, die er seit dem letztjährigen Treffen nicht mehr gesehen hatte. Levy war zwar erst achtunddreißig, sah aber trotzdem bereits wie der späte Jerry Garcia von Grateful Dead aus, klein gewachsen und schwergewichtig, mit einem langen grauen Bart und schütteren grauen Haaren. Er trug ein schwarzes T-Shirt mit dem Schriftzug »Hack Naked« und dem weißen Umriss einer vollbusigen Frau. Er war für seine lustigen T-Shirts bekannt, die sich über seinen dicken Bauch spannten. In diesem Jahr hatte er jedoch auch ein paar Button-Down-Hemden eingepackt, weil er wusste, dass er nach seiner
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