Gefahrliche Sunden
Fenster ihres Schlafzimmers auf die StraÃe hinuntergelugt, und als sie das Sonnenlicht in Reeves braunen Haaren blitzen sehen hatte, hatte ihr Herz vor lauter Freude einen Satz gemacht. Etwas ungeduldig hatte er am Messingknauf der Tür gedreht und dann erneut geklopft. Er hatte sogar ihren Namen gerufen und zu ihr hinaufgeblickt. Gerade noch rechtzeitig hatte sie einen Satz zurückgemacht, damit er sie nicht sah.
Warum war sie nicht runtergegangen und hatte ihm aufgemacht? Weshalb war sie einfach stehen geblieben, starr vor Schreck, weil er plötzlich wieder da gewesen war? Aus Scham oder aus Verlegenheit? Vielleicht hätte er sie bei Tageslicht ja nicht mehr anziehend gefunden. Oder vielleicht hätte er ihr plötzlich nicht mehr zugesagt. Der letzte Gedanke war totaler Quatsch. Er war der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte, ob bei Kerzen- oder Sonnenlicht. Was also hatte sie davon abgehalten, hinunterzugehen,
die Tür des Ladens aufzureiÃen und sich ihm an die Brust zu werfen?
Nackte Angst.
In den letzten Jahren hatte sie allein gelebt, von ihren Fehlern gelernt und sich über die Dinge, die sie erreicht hatte, gefreut. Sie hatte sich vollkommen von anderen abgekapselt, hatte nur in ihrer eigenen Welt gelebt. Schon einmal hatte sie ihr Leben in die Hände eines anderen gelegt, und es hatte katastrophal geendet. Als sie Charles schlieÃlich verlassen hatte, hatte sie sich geschworen, ihr Leben niemals wieder einem anderen anzuvertrauen. Charles verfrühter Tod hatte sie endgültig davor bewahrt, eine unglückliche Ehe wieder aufzunehmen, und seither hatte sie sich nicht noch mal derart an einen Mann gebunden, dass sie von ihm abhängig geworden war.
Helmut machte ihr bereits seit Monaten den Hof, aber die Vorsicht hatte sie daran gehindert, uneingeschränkt auf seine Avancen einzugehen. Und dieselbe Vorsicht hatte sie zurückgehalten, als sie nachmittags hatte hinunterlaufen und Reeves Grant mit all dem Glück hatte wieder willkommen heiÃen wollen, das bei seinem bloÃen Anblick in ihr aufgestiegen war.
Mein Gott! Sie hatte mit diesem Mann geschlafen. Während einiger kurzer Stunden hatte ihr Leben in seiner Hand gelegen. Hatte sie unbewusst jede Kontrolle an ihn abgegeben. Wenn das nicht gefährlich war, was dann? Deshalb hatte sie, während er einen kleinen Block aus seiner Tasche gezogen, eine eilige Notiz für sie gekritzelt und in ihren Briefkasten
geschoben hatte, ein für alle Mal beschlossen, ihn nie wiederzusehen.
Trotzdem war sie, nachdem er gegangen war, die Treppe hinuntergeflogen, hatte den Zettel aus dem Briefkasten gezerrt und mit zitternden Fingern aufgeklappt.
Meine süÃe Jordan,
bitte verzeih, dass ich vorhin verschwunden bin, ohne mich zu verabschieden, aber Du hast so tief geschlafen, dass ich es nicht übers Herz gebracht habe, Dich aufzuwecken. (Geständnis: Ich habe einen Blick unter die Bettdecke geworfen. Wunderschön.) Ich wollte mir ein Zimmer nehmen (im Hotel Europa) und erst mal gründlich duschen, bevor ich wieder bei Dir auftauche. Unglücklicherweise hast Du genau diesen Augenblick gewählt, um aus dem Haus zu gehen. Heute Abend habe ich (geschäftlich) zu tun, aber falls Du ein Licht für mich brennen lässt, komme ich später noch bei Dir vorbei (Ich selbst brenne bei der Erinnerung an letzte Nacht). Bis dann â¦
Reeves
Ihre Entschlossenheit, ihn nie wiederzusehen, hatte sich in Wohlgefallen aufgelöst. Irgendwie würde sie eine von Helmuts »kleinen, intimen Cocktailpartys« für »ein paar enge Freunde« überstehen. Dann schöbe sie einfach Kopfweh vor und würde nach Hause eilen, um auf Reeves zu warten. Er würde sie fragen, ob sie
unterwegs gewesen war. Sie würde ihm von Helmut erzählen, dabei aber klarstellen, dass sie nicht seine feste Freundin war. Er würde sagen, darüber wäre er froh und das würde er verstehen. Dann würde er sie in die Arme nehmen. Küssen â¦
Aber wie hieà es doch so schön? Leben ist das, was passiert, während du eifrig andere Pläne machst.
»Ich kann nur für dich hoffen, dass du eine gute Erklärung hast«, riss sein Schnauzen sie aus der Vergangenheit in die Gegenwart zurück. Sie starrte ihn benommen an. Mit seinem vom Wind gepeitschten Haar und den vor Zorn funkelnden Augen sah er richtiggehend teuflisch aus.
Offensichtlich nahm er an, sie dächte sich irgendeine
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