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Gefahrliches Vermachtnis

Gefahrliches Vermachtnis

Titel: Gefahrliches Vermachtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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bei einer Abiturientin hinreißend provokativ gewirkt hätte, bei einer Siebenundvierzigjährigen jedoch jegliche Wirkung verfehlte. Ferris drückte die Zigarette in einem Blumentopf aus und zündete eine neue an. „Ich bin aus Respekt vor meiner Mutter hier.“
    „Ach, so nennst du das? Wir sind den ganzen weiten Weg hierher gefahren, damit du dich mit diesen Leuten auseinandersetzt?“
    Als Ferris nicht einmal versuchte, sie zu trösten, begann Cappy, mit den Muscheln zu spielen, die aufgereiht auf dem oberen Regal der Kommode lagen. „Du siehst sicher auch keinen Sinn in dieser Geschichte. Ist es nicht schlimm genug, dass deine Mutter auf eine Einäscherung bestand? Alle hatten von der Familie ein Datum für die Beerdigung erwartet und jetzt so etwas. Wenn sich das herumspricht, werden unsereFreunde denken, dass deine Mutter uns immer noch an der Nase herumführt.“
    „Ich bezweifle, dass sie so einfühlsam sein werden.“
    Sie sortierte die Muscheln nach der Größe. „Dawn hat nicht einmal angerufen! Ich habe Telegramme an alle Welt geschickt, um sie darüber zu informieren, dass deine Mutter gestorben ist, und sie hat nicht einmal angerufen. Bevor ich sie eben gesehen habe, wusste ich nicht einmal, ob sie meine Nachricht bekommen hat.“
    Ferris hatte Verständnis für Cappys kleinen Wutanfall. Trotzdem ließ er sich, während er selbst versuchte, einen Sinn im letzten Wunsch seiner Mutter zu erkennen, zu einem Lippenbekenntnis hinreißen. „Dawn hat schon vor einiger Zeit klargestellt, dass sie tut, was sie will.“
    „Es ist lächerlich! Ich möchte nicht hierbleiben, keine einzige Nacht! Das kann keinen Einfluss auf dein Erbe haben!“
    „Spencer St. Amant mag so alt sein, wie er will, aber er ist dennoch ein ernst zu nehmender Gegner. Er hat schon oft getan, was er wollte, und er ist immer damit durchgekommen. Ich bin sicher, dass Mutter ihn auch aus diesem Grund mit diesem Spektakel beauftragt hat.“
    Cappy rückte eine große Muschel in die Mitte und trat einen Schritt zurück, um ihr Werk zu begutachten. „Ich kenne das Gesetz. Deiner Mutter bleibt gar nichts anderes übrig, als dir ein Drittel ihres Vermögens zu hinterlassen.“
    „Wollen wir ein Drittel oder wollen wir alles? Wir müssen auch unser Interesse an der Reederei berücksichtigen.“
    Er beobachtete Cappys Reaktion auf seine Worte. Sie rührte sich nicht. Gulf Coast Shipping war das Kronjuwel der Familie Gerritsen, ein milliardenschweres Finanzimperium, Synonym für den Hafen von New Orleans und den gesamten Schiffsverkehr auf dem Mississippi. Cappy stammte selbst aus einer sehr wohlhabenden Familie, aber erst Ferris’ Verbindung zu Gulf Coast hatte ihr die gewünschte gesellschaftliche Machtposition in New Orleans verschafft.
    Ferris schätzte ihren Ehrgeiz sehr. Cappy war ein Gewinn für ihn, das hatte er schon vor langer Zeit bemerkt. Wenn sie wollte, konnte sie einen unwiderstehlichen Charme entfalten und ihn nutzbringend zur Unterstützung seiner politischen Aktivitäten einbringen. Cappy hätte die Südstaatenversion von Jackie Kennedy sein können.
    Er gab ihr einen Moment zum Nachdenken, bevor er fortfuhr: „Ich werde mit Spencer sprechen und darauf bestehen, dass wir das hier möglichst schnell hinter uns bringen. Falls er nicht damit einverstanden ist, dann können wir immer noch in die Stadt zurückfahren. Aber wenn wir fahren, werden wir natürlich nie genau erfahren, was hier vor sich geht.“
    „Du willst nichts verpassen?“
    Er beugte sich zu ihr hinunter und küsste ihre Wange. „Das heißt also, du bleibst?“
    „Wie immer zählt meine Meinung nur begrenzt.“
    „Komm, pack die Sachen aus! Ich sehe mal nach, ob ich etwas herausbekommen kann.“
    An der Tür blickte Ferris noch einmal zurück. Cappy lehnte an der Kommode und arrangierte die Muscheln neu. Der Raum war schlicht, gemütlich und etwas altmodisch, wie es für Sommerhäuser typisch war. Gleichzeitig umgab ein Hauch von altem Geld und Tradition dieses und auch alle anderen Zimmer des Zwölf-Zimmer-Hauses. Und es gab nichts, das nicht an die Familie erinnerte, die nun für immer verschwunden war.
    Ferris hatte jeden Sommer seiner Kindheit hier verbracht. Er hoffte, dass dies der letzte Sommer war, in dem er das alles wiedersehen musste.
    Dawn packte ihre Reisetasche aus. Sie hatte nicht viel dabei. Schließlich, als ihre Erinnerungen übermächtig wurden, wanderte sie im Schlafzimmer umher. Manche Dinge hatten sich in all den Jahren nicht

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