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Gefahrliches Vermachtnis

Gefahrliches Vermachtnis

Titel: Gefahrliches Vermachtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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schließlich geholfen hatten, Mut zu fassen.
    Aurores riesiges Haus in der Prytania Street in New Orleans war voller Wunder. Die Räume mit hohen Decken und pastellfarbenen Wänden waren hell und licht.
    In ihrem eigenen Zimmer lag ein dick eingewachster Holzfußboden, auf dem sie auf Socken herumrutschte. Aurore fand auch, dass Violett eine schöne Wandfarbe war, zu der gelbe Vorhänge und ein gelb gestrichenes Bett hervorragend passten. Dawn konnte sich in ihr Zimmer zurückziehen, wenn die Welt ihr zu groß oder klein erschien, und wieder zum Vorschein kommen, wenn sie herausfand, dass die Welt gerade die richtige Größe besaß.
    Ihr Zimmer, das Haus, der Garten hätten ihr nichts bedeutet, wenn Aurore nicht da gewesen wäre, um alles mit ihr zu teilen. Dawn hatte gerne auf Aurores Schoß gesessen und den Bienen zugesehen, die in den Banks-Rosen summten, während ihre Großmutter ihr alle möglichen Geheimnisse verriet.
    „Bienen“, hatte sie erklärt, „brummen nur deshalb, weil sie dich warnen wollen. Sie fliegen von Blüte zu Blüte. Das ist ihre Aufgabe, und sie bitten dich, das zu berücksichtigen. Hörst du? Sie sagen Bitte.“
    In den sicheren Armen ihrer Großmutter hatte sie zugehört und sich nicht mehr länger vor Bienen gefürchtet. Aurore duftete wie die Blumen in ihrem Garten. In den Armen ihrer Großmutter hatte Dawn sich immer sicher gefühlt.
    Nun gab es niemanden mehr, der sie beschützte. Grandmère war tot. An ihrer Stelle waren Fragen über ein Leben aufgetaucht,das oberflächlich betrachtet nicht besonders außergewöhnlich erschien.
    Dawn lag in ihrem Bett und beobachtete, wie das Sonnenlicht durch die Vorhänge ins Schlafzimmer drang, als es vorsichtig an ihrer Tür klopfte. Wäre sie nicht vor lauter Aufruhr ohnehin schon wach gewesen, hätte sie es bestimmt nicht gehört.
    War das Ben? Sie stand auf, um sich etwas anzuziehen, doch als sie die Tür dann öffnete, stand ihr Vater davor. „Ich gehe am Strand spazieren“, sagte er. „Hast du Lust mitzukommen?“
    Trotz allem, was geschehen war, berührte es sie, dass Ferris ihre Gesellschaft suchte. Dass er einmal Zeit für sie hatte, war in ihrer Kindheit so selten vorgekommen, dass sie diese Augenblicke rot in ihrem Kalender anstreichen konnte. „Ich komm gleich runter.“
    Er küsste sie auf die Wange, bevor er ging. Sie beeilte sich mit dem Anziehen und stellte plötzlich fest, dass sie sich mit dreiundzwanzig immer noch wie ein Kind auf ein paar Minuten Aufmerksamkeit von Ferris Gerritsen freute.
    Im letzten Augenblick schnappte sie sich ihre Kamera. Wenn man die ganze Seele eines Menschen erfassen wollte, benötigte man ein ganzes Studio voller Equipment, einen guten Hintergrund und unzählige Gespräche. Alles andere konnte man auch auf einem Polaroid festhalten. Sie hatte kein Equipment dabei, das sie an den Strand hätte mitnehmen können. Dennoch wollte sie unbedingt ein paar Fotos von ihrem Vater in dieser kritischen Phase ihres Lebens aufnehmen. Sie hoffte auf ein Wunder.
    Sie kamen an den Strand, bevor er ein paar Floskeln äußerte. „Die letzte Nacht war eine Strapaze.“
    „Für alle.“ Sie ging auf der dem Wasser abgewandten Seite, rechts von Ferris. So lange sie denken konnte, hatte sie Angst vor tiefem Wasser gehabt. Selbsthilfebücher hatten ihre Ängste nicht mindern können. Sie duschte lieber, als zu baden, und bekam passenderweise immer dann ihre Tage, wenn sie zu einem Strandausflug gezwungen war. Eine merkwürdige Phobie für die Erbin einer Reederei.
    Ferris hatte ihre Angst nie verstanden, aber jetzt gab er sich nachsichtig. „Ich kann mir vorstellen, dass dir die Art, wie ich Familie Reynolds behandelt habe, nicht gefällt.“
    Dawn liebte die Stimme ihres Vaters. Sie klang voll und rau und südlich; sein Akzent klang mehr nach dem Norden Louisianas als nach New Orleans. Seine Stimme klang wie Whiskey mit Soda. Sie glättete die Kanten jedes noch so zugespitzten Konflikts.
    „Das gefiel mir wirklich nicht“, stimmte sie zu. „Du warst aufgeblasen und überheblich. Hat dir dein Auftritt gefallen?“
    „Es steckt mehr dahinter, als du ahnst.“
    „Mehr als deine Antipathie gegen die Hautfarbe von Phillip und den Reynolds?“
    „Ich habe immer farbige Freunde gehabt. Ich habe mit farbigen Menschen gegessen, mit ihnen unter demselben Dach geschlafen, ihre Babys und Großmütter geküsst.“
    Sie hob die Kamera und wünschte, sie hätte seine Stimme mit aufnehmen können, diese Ernsthaftigkeit, diese

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