Gefahrliches Vermachtnis
geschworen, es mir heimzuzahlen.“
„Erzähl mir nicht, dass du glaubst, das hätte etwas mit Grandmères Testament zu tun.“
„Nicky Valentine ist dazu fähig, sich zu rächen. Vielleicht ist sie Jahre später zu deiner Großmutter gegangen, um ihr Lügenzu erzählen und Forderungen zu stellen. Ich weiß es nicht. Ich bin noch nicht dahintergekommen.“
Sie kehrten um und gingen in Richtung Cottage, als sie wieder zu sprechen begannen. „Warum hast du mir das erzählt?“
„Damit du nicht schockiert bist, wenn einiges davon rauskommt.“
Das nahm sie ihm nicht ab. Glaubte er ernsthaft, dass sich ihr Respekt für Nicky in Luft auflösen würde? Sie hielt es für besser, ihm von vornherein klarzumachen, dass er sich irrte. „Ich bin überrascht, dass du Nicky im Krieg kennengelernt hast. Aber egal, was damals passiert ist, ich glaube nicht, dass sie sich auf eine perverse Art an dir rächen will. Und wie kannst du so etwas zwanzig Jahre später immer noch glauben? In Nicky hatten sich bestimmt täglich viele Männer verliebt. Sie ist immer noch eine der schönsten Frauen, die ich je gesehen habe.“
„Sie ist eine schöne schwarze Frau.“
„Deine Vorurteile machen dich blind.“
„Und du lässt dich von deinem Idealismus blenden.“ Er legte ihr den Arm um die Schulter.
Sie hatte Zurückweisung erwartet. Der Versuch, sie näher an sich zu ziehen, rührte sie. „Wie auch immer es wirklich gewesen ist – kannst du deine Gefühle nicht mal für eine Weile vergessen? Sei einfach der Ferris Gerritsen, der immer gewählt wird, wenn er kandidiert. Schüttele Hände und lächle.“
„Hier gibt es niemanden, der mich wählen würde, Liebes. Nicht einmal mein eigenes kleines Mädchen.“
„Das hängt ganz davon ab, wer gegen dich antritt.“
Er drückte ihre Schulter, bevor er sie losließ. „Ich habe keine Ahnung, was sich deine Großmutter dabei dachte, aber ich werde darauf bestehen, dass Spencer das vollständige Testament noch heute Morgen verliest.“
„Hast du schon mit ihm gesprochen?“
„Er geht mir aus dem Weg.“
„Ich glaube, wir müssen mit noch mehr Überraschungen rechnen.“
„Wie meinst du das?“
„Ich weiß nicht. Es ist nur so ein Gefühl. Aber warum sollte Grandmère uns alle auf diese bemerkenswerte Art und Weise zusammenrufen, wenn sie nicht noch weitere Dinge mit uns vorhätte? Bis jetzt ist bei dem großen Zusammentreffen noch nichts herausgekommen. Da muss noch mehr dahinterstecken.“
„Ich fahre heute Nachmittag.“
Dawn schoss ein letztes Foto. Ihr Vater verschränkte die Arme; er wirkte äußerst selbstbewusst. Es kam selten vor, dass Ferris Lee Gerritsen nicht sein Bestes gab. Aber im wirklichen Leben war Aurore Gerritsen mindestens genauso entschlossen gewesen. Und nicht einmal der Tod hatte etwas daran geändert.
Das einzige Zimmer im Cottage, das groß genug war, um ihnen allen Platz zu bieten, war eine verglaste Veranda; man nannte sie auch „Morgenzimmer“. Von hier aus blickte man auf gelbe Kamillenblüten, Magnolien und Eichen. Am Himmel zogen Sturmwolken auf, aber noch schien demonstrativ die Sonne.
Dieses ländliche Idyll wirkte wie der pure Hohn auf die aktuelle Situation. Als Journalist hatte Ben sich daran gewöhnt, sich in Situationen zu begeben, wo er unerwünscht war. Dennoch erinnerte er sich nicht daran, sich schon ein einziges Mal so unwohl gefühlt zu haben. Für dieses Treffen war er nicht scheinheilig genug. Die Gerritsens wollten ihn nicht hier haben, und ihre Einwände waren nachvollziehbar. Sie wussten nicht, dass er hier war, um viel mehr zu fordern als die Kleinigkeit, die Dawns Großmutter ihm womöglich hinterlassen hatte.
Er stand in einer Ecke und beobachtete, wie alle anderen langsam eintrafen. Dabei erinnerte er sich an Dawns Theorie über Aurores Sinn für Dramatik. Ob es nun stimmte oder nicht, er wusste genug über sie alle, um dieses merkwürdige Ereignis, das sicher in die Geschichte Louisianas eingehen würde,schätzen zu können.
Dawns Mutter setzte sich in einen Sessel in der Ecke. Cappy war das gelungene Beispiel für die Lebensart eines vergangenen Jahrhunderts.
Er winkte, um Nicky und Jake am anderen Ende des Zimmers zu begrüßen. Ben wusste von Phillip einiges aus Nickys Vergangenheit. Sie hatte ihre Kindheit in einem Haus in der Basin Street, in der Nähe ihres heutigen Klubs, damit verbracht, bei der Entstehung des Jazz zuzusehen. Dann war sie nach Paris gegangen und später nach New York, aber in ihrer
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