Gefahrliches Vermachtnis
mag sein. Aber nur, wenn Sie sich daran erinnern, dass ich niemandem gehöre.“
Sie hatten einen Punkt in der Bucht erreicht, wo das Wasser aufgewühlter war als an anderen Stellen. Haines blieb stehen und deutete auf einen Punkt in der Dunkelheit. „Schauen Sie mal da drüben, der Stock hat es nicht nach draußen geschafft.“
Ferris entdeckte, dass er sich in alten Wurzeln am anderen Ende der Bucht verfangen hatte. Es war ihm unmöglich zusagen, ob es derselbe Stock war oder ein anderer.
„Sie können den Stock nun von zwei Seiten betrachten“, erklärte Haines. „Entweder wollte er nicht weiter raus und die Wurzeln bieten ihm einen letzten Halt – oder er schwamm aufgeregt in Richtung Freiheit und wurde unerwartet aufgehalten.“
„Sagt beides nicht viel aus“, erwiderte Ferris.
„Nein, Sir. Man kann ihn mit einem Mann vergleichen, der zu viel Widerstand leistet, oder mit einem, der zu leicht kooperiert. Finden Sie heraus, wo Sie stehen, Ferris, und ich werde Ihnen helfen, Sie genau dorthin zu bringen, wohin Sie wollen.“
Es hatte die ganze Nacht geregnet. Beim ersten Morgenlicht nahm Dawn die Briefe ihres Urgroßvaters und versteckte sie unter dem Vorleger unter der Frisierkommode. Als Kind hatte sie viele Geheimnisse gehabt und eine Menge Dinge vor ihren Eltern und den neugierigen Augen des Personals versteckt. Tatsächlich interessierte sich in den meisten Fällen niemand außer ihr dafür. Das galt aber nicht für die Briefe von Lucien Le Danois.
Sie hatte nicht gewusst, was sie erwartete. In der garconnière hatte sie gesehen, dass die ersten Briefe an einen Priester adressiert waren. Dennoch hatte sie vermutet, dass sie weiter unten im Stapel Ratschläge eines Vaters an seine Tochter finden würde – und der Voyeur in ihr hatte sogar gehofft, leidenschaftliche Liebesbriefe zu entdecken. Stattdessen hatte sie etwas ganz anderes gefunden.
Sie wollte nicht bis zum Frühstück und dem Ende der nächsten Runde der Testamentseröffnung warten, bevor sie mit Ben sprach. Sie hatte kaum geschlafen, aber das war im Augenblick nicht so wichtig. Sie brauchte Antworten.
Nach einer Dusche zog sie sich an und ging in der Hoffnung, Ben zu begegnen, nach unten. Doch stattdessen traf sie auf Phillip, der in T-Shirt und Shorts auf der Motorhaube von Bens Wagen saß und ein Spatzentrio mit Brotkrümeln fütterte.Weder Phillip noch die Vögel ließen sich durch ihre Ankunft stören.
Sie blieb stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Haben Sie Ben gesehen, Phillip?“
„Außer uns beiden ist noch niemand wach.“
„Oh.“ Sie wusste nicht, was sie als Nächstes tun oder wohin sie gehen sollte. Sie benötigte Antworten. Aber sie konnte sich nicht überwinden, in Bens Zimmer zu gehen, um ihn zu wecken.
Sie dachte an Pelichere und Spencer. Einer der beiden war möglicherweise dazu in der Lage, ihr die fehlenden Puzzlestücke zu liefern. Doch sicher war sie sich da nicht.
„Nicht gerade ein idealer Morgen für Sie, nicht wahr?“
Dawn bemerkte, dass sie durch Phillip hindurchgestarrt hatte. „Nein, ich …“ Sie zuckte mit den Schultern.
„Haben Sie sich gefragt, weshalb ich hier bin? Oder meine Familie?“
„Natürlich.“ Sie wusste, dass dies eigentlich eine interessante Unterhaltung gewesen wäre, wenn ihr nicht die Briefe im Kopf herumgegangen wären.
„Und sind Sie zu einem Schluss gekommen?“
„Nein.“
„Noch nicht?“
„Was soll das denn heißen?“ In Phillips Tonfall schwang offene Feindseligkeit mit und Dawn spürte erneut sein Misstrauen. „Abgesehen vom Naheliegenden habe ich keine Ahnung.“
„Vom Naheliegenden? Von unserer Hautfarbe?“
Sie vergrub die Hände in den Taschen ihrer Shorts. „Vom Naheliegenden: Ihre Schreiberei und die Musik Ihrer Mutter.“
„Wirklich? Dann haben Sie noch gar nicht mitbekommen, dass wir verschieden sind?“
„Hören Sie, ich hab jetzt keine Lust auf so etwas, okay? Es ist mir egal, welche Hautfarbe Sie haben. Das hat nichts mit mir zu tun.“
„Und genau da irren Sie sich.“
Dawn öffnete den Mund, um sich zu verteidigen, verzichtete dann aber darauf. Ihr kam plötzlich der Verdacht, dass sie und Phillip über zwei verschiedene Dinge sprachen. Er rückte ein Stück beiseite, so als wollte er sie einladen, sich neben ihn zu setzen. Sie leistete ihm auf der Motorhaube Gesellschaft. Nun starrten sie beide das Haus an.
„Sie haben auf mich gewartet, nicht wahr?“, fragte sie.
„Ich warte auf eine ganze Menge
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