Gefahrliches Vermachtnis
Piano lange. Sie hatte ihren Sohn schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Er schrieb nur unregelmäßig und seine Briefe waren nicht mehr so ausführlich wie am Anfang.
Aurore hatte immer gewusst, dass sie Hugh zu sehr liebte. Sie wünschte, sie hätte ihn noch intensiver an sich gebunden. Stattdessen hatte sie zugelassen, dass Henry Hughs Zukunft manipulierte, und sich selbst eingeredet, dass Hugh zuerst die Welt sehen sollte, bevor er sich an das Priesteramt band.
Dabei hatte sie nur befürchtet, ihn sonst für immer zu verlieren. Und nun könnte Hugh im fernen Afrika sterben und dann würde sie ihn wirklich nie wiedersehen.
Aurore stellte sein Foto vor ein Weihnachtsgesteck aus Magnolienblättern und ging die Treppe hinauf. Schließlich hatte sie noch einen Sohn, in dessen Leben sie sich einmischen konnte.
Sie klopfte an Ferris’ Tür. Als er sie hereinbat, blieb sie im Türrahmen stehen. Obwohl eine Angestellte sein Zimmer täglich reinigte, war Ferris’ Zimmer immer in Unordnung. Er besaß weder einen Sinn für Ordnung noch Mitgefühl für die Menschen, die hinter ihm herräumen mussten. Sein Zimmer war eine Durchgangsstation, ein Ort, wo man schlief. Und das geschah in letzter Zeit selten genug.
Ferris lächelte, während er ein blaues Jackett von der Stuhllehne hob und hineinschlüpfte. Aurore vermutete, dass er sich auf seine Verabredung mit dem Robillard-Mädchen vorbereitete. Sie hatte die Robillards vor Jahren einmal getroffen, aber Cappy erst vor einer Woche kennengelernt. Sie hatte immer dafür gebetet, dass Ferris einmal eine Frau finden würde, die ihn ein wenig zähmen, ihn menschlicher machen und seinem Leben einen Sinn geben würde. Doch Cappy war nicht die Lösung, die sich Aurore erhofft hatte.
„Was machst du heute Abend?“, erkundigte sie sich. „Nichts Besonderes.“ Ferris strich sich die Krawatte glatt und griff nach seinem Hut.
„Ist Cappy bei ihrem Onkel in der Stadt?“
„Die nächsten zwei Wochen.“
„Du wirst schon beim Militär sein, wenn sie wieder nach Hause fährt“, sagte Aurore wehmütig.
„Mach dir keine Sorgen um mich. Es wird schon alles gut gehen.“
Aurore war sehr unglücklich über Ferris’ Entscheidung gewesen, aber sie sagte sich täglich, dass sie sich um ihn keine Sorgen machen musste. Ferris würde schon aufpassen. Etwas anderes machte ihr mehr Sorgen.
„In diesen Zeiten treffen viele junge Männer voreilige Entscheidungen“, sagte sie.
„Wie bitte? Du meinst, weil ich zur Marine gehe? Jemand muss es tun.“
„Ich dachte an Cappy. Viele junge Männer beeilen sich mit dem Heiraten, weil sie Angst haben, sie könnten möglicherweise nicht aus dem Krieg zurückkehren.“
„Willst du nicht, dass ich heirate?“ Er kontrollierte im Spiegel den Sitz seines Huts. „Hugh wird dir sicher keine Enkel schenken. Ich bin deine einzige Chance.“
„Ich will bloß nicht, dass du einen Fehler machst.“
„Und du hältst Cappy für einen Fehler?“
„Es geht nicht um Cappy, sondern darum, unter Druck zu heiraten.“
„Ich fühle mich nicht unter Druck gesetzt. Und ich erkenne etwas Gutes auf den ersten Blick.“
Ihr Atem beschleunigte sich. „Ferris, du willst mir jetzt nicht erzählen, dass du sie tatsächlich heiraten wirst?“
„Ich hatte es zuerst nicht vor. Aber ich sehe keinen Grund, weshalb ich die Sache nicht offiziell machen sollte. Kennst du außer Cappy Robillard noch jemanden, der so ein großer Gewinn für meine politische Karriere wäre?“
„Politik?“
„Überrascht dich das?“
„Aber du hast noch nie etwas über eine politische Karriere gesagt.“
„Du hast mich noch nie danach gefragt.“
Sein Gesichtsausdruck blieb unverändert, aber sie war total perplex. „Es ist mir nie in den Sinn gekommen, dass dich die Politik interessieren könnte. Du hast mitbekommen, wie sie deinen Vater verschlissen hat. Ich dachte, das hätte als Abschreckung genügt.“
„Dachtest du.“ Er blickte ihr ins Gesicht. „Aber du hast dir nie die Mühe gemacht, mich danach zu fragen.“
„Ich habe einfach vermutet …“
„Darin warst du eine Weile sehr gut, Mutter.“ Er lächelte. „In dieser Hinsicht ist Daddy dir überlegen. Er hat sich nie mit Vermutungen begnügt. Er wollte immer genau wissen, was ich denke.“
Aurore näherte sich ihrem Sohn. „Wie kannst du mich mit deinem Vater vergleichen?“
„Das ist kein Vergleich.“ Er hörte auf zu lächeln. „Ich weiß, wie Daddy ist, und ich weiß, wie du bist. Und ich weiß,
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