Gefahrliches Vermachtnis
schon nicht Königin werden konnte, warum dann nicht Ferris’ Frau? Ihre Eltern wären empört, was der Sache zusätzlich einen romantischen Anstrich verliehen hätte. Sie wäre Gegenstand aller Stadtgespräche, was mindestens so aufregend war wie Königin für einen Tag.
Für alle Fälle hatte er sich alle möglichen Argumente zurechtgelegt, obwohl er nicht glaubte, dass er sie benötigen würde. Bis jetzt hatte ihm Cappy noch nie etwas abgeschlagen. In der Tanznacht war er derjenige gewesen, der ihr sagen musste, dass sie sich besser noch einmal die Haare richten sollte, bevor er sie bei ihrem Onkel ablieferte. Er war fast schmerzhaft erregt, aber er war sehr zufrieden mit sich. Sie beinahe genommen zu haben, war so gut, als hätte er es getan. Jetzt war er sich sicher, dass sie ihm gehören würde, wann immer es ihm gefiel.
Cappys Tante und Onkel lebten nur wenige Straßen von Ferris’ Eltern entfernt in einem italienischen Palast. Als er am Fuß der Pinientreppe auf Cappy wartete, wusste er, dass ihn die Bediensteten, die zufällig alle etwas Wichtiges in der Halle zu tun hatten, aufmerksam musterten. Dass man ihn nicht inden Salon gebeten hatte, sprach Bände darüber, was die Robillards von seinen Bemühungen um Cappy hielten. Ihre Eltern würden es vermutlich genauso sehen.
Ferris fühlte sich nicht beleidigt. Je lauter die Robillards protestierten, umso besser war seine Position. Cappy liebte das Drama. Und ihre Familie schaffte netterweise die Voraussetzung dafür.
Als Cappy endlich auftauchte, schienen seine Beine bereits am Boden festgewachsen. Sie trug ein elegantes weißes Kleid mit raffiniert geschnittenen Ärmeln und ihr gelocktes Haar glänzte golden im Licht der Kronleuchter. Sie war es wert, dass man auf sie wartete. Ferris hielt große Stücke auf sie. Er vermutete, dass sie mit fünfzig als Frau eines Senators noch genauso aussehen würde.
„Wie lange wartest du schon?“, fragte sie. „Thelma hat mir gerade erst gesagt, dass du da bist.“
„Thelma denkt, dass ich nicht gut genug für dich bin.“
„Ich bin sicher, dass ich mir nicht von Thelma sagen lasse, wer gut für mich ist.“
„Ich glaube nicht, dass sie mit dieser Meinung in diesem Haus alleine steht.“
„Aber nur meine Meinung spielt eine Rolle, oder?“ Es war eine rhetorische Frage.
„Immer.“
Sie lächelte launisch. „Ich bin froh, dass du so denkst.“
Sie kam, ohne auf die Stufen zu achten, auf ihn zu; eigentlich schwebte sie und dann hielt sie ihm die Hand hin.
Er hielt sie fest. „Du bist wunderschön. Lass uns irgendwohin gehen, wo ich mit dir angeben kann.“
„Ich würde lieber irgendwohin gehen, wo ich mit dir angeben kann.“
Er pfiff leise durch die Zähne. „Das klingt gut.“
Thelma brachte den Mantel. Ferris half Cappy hinein, wobei er ihr wie zufällig über den Nacken strich. „Wir brauchen Sie nicht mehr, Thelma“, sagte Cappy. „Richten Sie meiner Tanteaus, dass es spät werden kann. Sehr spät.“
Ferris führte Cappy zu seinem Wagen.
„Wohin fahren wir?“, fragte sie.
„Das hängt von dir ab. Wir können essen gehen und dann zum Tanzen in den Terrace Club. Oder wir heiraten.“
Sie wirkte nicht sehr überrascht, jedenfalls ließ sie sich nichts anmerken, aber sie schwieg ein paar Minuten lang. Ferris fuhr langsam.
„Welche Art von Ehemann wirst du wohl sein?“, fragte sie schließlich.
„Oh, der beste. Ich kann dir alles bieten, was du willst.“
„Ich weiß nicht, was ich will.“
Das war ein merkwürdig einfühlsames Geständnis und entsprach nicht seinen Erwartungen. „Willst du denn nicht, was alle Frauen wollen? Willst du niemanden, der sich um dich kümmert? Und der dir das Leben bietet, das du gewöhnt bist? Jemanden, auf den du stolz sein kannst?“
„Es bleibt nicht viel Zeit für eine Entscheidung, stimmt’s?“
„Ich kenne einen Ort, wo wir noch heute Nacht heiraten könnten. Dann hätten wir noch etwas mehr als eine Woche, bevor ich wegfahre. Und ich bin sicher, dass ich noch ein paar Mal nach Hause kommen kann, bevor wir nach Europa fahren. Himmel, vielleicht werde ich sogar in den Staaten stationiert.“ Er erwähnte nicht, dass er alles unternehmen würde, um das zu verhindern.
„Warum ich, Ferris Lee?“
Er spürte, dass sie die Wahrheit hören wollte. Ferris hatte nicht mit Cappys Aufrichtigkeit gerechnet, und er hatte erst recht nicht vorgehabt, ehrlich mit sich selbst zu sein. Deshalb wählte er seine Worte vorsichtig. „Weil wir
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