Gefahrliches Vermachtnis
zusammengehören.“
„Wir holen nicht das Beste aus uns heraus.“
„Wie meinst du das?“
„Spürst du nicht manchmal auch, dass es in dir eine bessere Version von Ferris Lee Gerritsen gibt, die du aber nicht richtigzu fassen kriegst?“
„Nein.“
„Ich schon. Es gibt eine bessere Version von uns beiden.“ Er spürte, dass sie ihm entglitt, und stellte fest, wie leid es ihm tat. Dann fuhr er an den Straßenrand und hielt an. „Die Liebe verändert alles, Cappy. Das glauben die meisten Frauen. Du nicht?“
„Liebst du mich, Ferris Lee?“
Einen Augenblick lang fragte er sich tatsächlich, ob er sie wirklich liebte, denn sie hatte etwas, das ihn unerwartet stark berührte. Als er sich zu ihr beugte, um sie zu küssen, war er sich seiner Gefühle auf einmal sehr unsicher. Sie wirkte so zart und zerbrechlich. Das hätte ihm eigentlich gefallen sollen. Als Sohn seines Vaters war er im Ausnutzen von Schwächen und Verletzlichkeit geübt. Dennoch gefiel es ihm nicht.
Schließlich schob er seine Gedanken beiseite und sprach aus, was sie hören wollte. „Ich liebe dich, und ich möchte nicht weggehen, bevor ich dich zu meiner Frau gemacht habe.“
„Vor diesem blöden Krieg war alles viel einfacher.“
Zu seiner Erleichterung klang Cappy endlich wieder normal.
„Heirate mich! Es wird nicht lange dauern, bis wir den Krieg gewinnen. Dann komme ich nach Hause und wir fangen ein echtes Leben miteinander an. Wir werden gut zusammenpassen, das weiß ich.“
„Etwas anderes fällt mir gerade auch nicht ein.“
Das war so gut wie ein Ja. Ferris küsste sie, bevor er den Motor wieder anließ.
15. KAPITEL
M anche Frauen schienen während einer Schwangerschaft von innen zu leuchten. Cappy gehörte nicht zu ihnen. Ihre ehemals alabasterfarbene Haut hatte einen bleichen, farblosen Ton angenommen. Ihr Haar war auffällig dünn geworden und ihre zierliche Figur war zu einem Ballon grotesken Ausmaßes angeschwollen. Cappy nahm diese Veränderungen nicht leicht. Sie betrachtete sich in jedem Spiegel in Aurores Haus, als ob sie herausfinden wollte, welcher Horror ihr als Nächstes blühte. An einem schwülen Julinachmittag beobachtete Aurore einen dieser Auftritte ihrer Schwiegertochter. „Komm schon, Cappy! Schwangerschaft ist keine Krankheit. Das ist ein natürlicher Prozess oder ein Wunder, je nachdem, wie man es betrachtet.“
„Ich habe Ferris gesagt, dass ich kein Baby will. Keine Ahnung, wie das passieren konnte.“
„Oh, wenn du angestrengt nachdenkst, wirst du vermutlich von selbst darauf kommen.“
Cappy leistete Aurore im Salon Gesellschaft und zog sich die Schuhe aus. „Meine Füße sind so geschwollen. Ich kann kaum noch darauf stehen.“
„Ich weiß, dass es nicht leicht ist, bei diesem Wetter schwanger zu sein.“ Aurore erinnerte sich an einen anderen quälenden Sommer, als sie ein Kind erwartete, das sie nicht behalten konnte. „Aber es könnte schlimmer sein“, sagte sie mitfühlend.
„Schlimmer?“ Cappy hob eine Braue. Sie wirkte arrogant. Sogar barfuß und schwanger blieb sie eine typische Robillard aus der River Road.
„Du könntest auf einem Schiff in den Krieg unterwegs sein.“
„Vielleicht gäbe es dort eine frische Brise.“
Aurore nahm ein Glas vom Tablett, das vor ihr stand, und reichte es ihrer Schwiegertochter. „Das wird dich ein wenig erfrischen.“
Aurore war selbst erschöpft. In den dunkelsten Stunden der Wirtschaftskrise hatte sie sich danach gesehnt, Gulf Coast wieder so erfolgreich wie früher zu machen. Nun hatte sich ihr Wunsch erfüllt. Die gesamte Flotte der Reederei war von der Marine-Kommission angefordert worden. Aurore arbeitete von früh bis spät und beaufsichtigte die größte Belegschaft, die sie je angestellt hatte. Und es reichte immer noch nicht.
Sie sagte sich, dass sie für das neue Familienmitglied eben noch mehr arbeiten musste. In den ersten Monaten als Mitglied der Gerritsen-Familie hatte Cappy kaum mit jemandem gesprochen. Inzwischen öffnete sie sich auf ihre Art.
„Vielleicht würdest du dich besser fühlen, wenn du ein bisschen ausgehen würdest“, schlug Aurore vor.
„Ausgehen? Wohin denn? Meine Eltern sprechen nicht mit mir. Ich habe heute meine Mutter angerufen und sie hat einfach aufgelegt!“
„Das tut mir leid, Cappy. Ich habe versucht, mit deinen Eltern zu sprechen, aber sie sind einfach sehr wütend, weil du Ferris heimlich geheiratet hast.“
„Das ist fast schon acht Monate her! Ich werde ihren Enkel zur Welt
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