Gefahrliches Vermachtnis
sie darum bat. Sie wurde von allen umgarnt, aber das schien ihr nichts auszumachen. Sie war die Königin des Palm Court und sich ihrer Macht total bewusst. Als ein Mann in französischer Uniform etwas zu weit ging, gab sie einem großen Marokkaner, der sich in der Nähe der Tür aufhielt, ein Zeichen. Der Marokkaner entfernte den Mann diskret und ohne großes Aufsehen in weniger als einer Minute aus dem Lokal.
Am Ende des letzten Auftritts kam sie an Hughs Tisch. Er hatte sie nicht um ihre Gesellschaft gebeten, aber ihre Blicke waren sich im Laufe der Nacht immer wieder begegnet. Sie musste seine Gefühle erraten haben. Sein Herz drohte zu zerspringen, als sie sich neben ihn setzte und ein Glas Champagner bestellte.
„Nun, Hap“, begann sie. „Hat es Ihnen gefallen?“
„Sie klingen nach meinem Zuhause.“
„Das wusste ich nicht. New Orleans ist schon sehr lange her.“
Hugh wusste genau, wie lange sie schon nicht mehr dort lebte und wohin sie danach gezogen war. „Haben Sie noch Familie in New Orleans?“ Das herauszufinden war ihm noch nicht gelungen.
„Nein. Phillip ist meine Familie.“
„Und Phillips Vater?“
„Tot. Er hat in der Lincoln Brigade gegen die Faschisten in Spanien gekämpft.“ Sie nahm ihr Glas und dankte dem Kellner mit einem Lächeln. „Wussten Sie, dass dort zum ersten Mal Weiße und Schwarze Seite an Seite gekämpft haben? Normalerweisesondern sie uns immer aus. Auch beim Sterben.“
„Sie sind verbittert.“
„Realistisch.“
„Aber Sie haben sich einen Namen in Paris gemacht.“
„Sie haben mich also überprüft?“
„Das ist so eine Angewohnheit von mir. Man kann nicht den ganzen Tag mit Akten zu tun haben und nicht nachsehen, wenn einen jemand interessiert.“
Falls sie den letzten Teil des Satzes gehört hatte, ließ sie es sich nicht anmerken. „Ein Mann namens Adolf hat mich daran erinnert, dass die Weißen Gottes Auserwählte sind.“
„Man wird ihn besiegen.“
Ihr Knie berührte sein Bein, als sie sich zu ihm neigte. „Ich schäme mich, Amerikanerin zu sein. Meine eigenen Leute sitzen auf der anderen Seite des Ozeans und behaupten, das hier ginge sie alles nichts an. Und weißt du, warum? Weil es sie nicht stört, was Hitler sagt.“
„Sie irren sich. Wir werden in diesen Krieg eintreten. Wir können uns nicht raushalten.“
„Ich weiß nicht. Genau in diesem Augenblick predigt Hitler den Tod von Juden und Kommunisten. Warten Sie nur, bis er mit den Schwarzen anfängt – und überlegen Sie mal, wie viele Amerikaner dann aufstehen und ihm zujubeln werden.“
Er berührte ihren Arm. Sie hatte ihre Meinung genauso gedankenlos geäußert wie alles andere. Er wusste, dass sie nicht alles so glaubte, wie sie es gesagt hatte, aber er wusste auch, dass sie sehr frustriert war.
„Ich habe auch in Europa gelebt und weiß, wie Sie sich fühlen. Aber es geht nicht jedem so wie uns. Niemand opfert seine Söhne grundlos. Die Menschen erinnern sich immer noch an den letzten Krieg.“
„Wussten Sie, dass es momentan mehr als dreißig Internierungslager im nicht besetzten Teil Frankreichs gibt? Da sind Tausende von Menschen. Frauen und Kinder, deren einziges Verbrechen darin besteht, jüdisch oder vor Franco geflohenzu sein. In Algerien gibt es noch mehr davon. Wenn Robby uns nicht geholfen hätte, wären Phillip und ich vielleicht in so einem Lager gelandet. Wir könnten immer noch dort landen.“
Sie lehnte sich zurück und entzog ihm ihren Arm. „Wenn ich von diesen Lagern weiß, muss unsere Regierung es auch wissen.“
„Und was unternehmen Sie dagegen?“
Sie starrte ihn an. „Ich überlebe.“
„Sie könnten noch mehr tun.“
„Ach ja?“
„Oder beklagen Sie sich lieber nur?“
„Glauben Sie das?“
„Nein.“ Er lehnte sich ebenfalls zurück.
„Wie viele Drinks hatten Sie schon?“
„Mehr als genug.“
„Sie wären überrascht, was Männer so alles erzählen, wenn sie etwas getrunken haben.“
„Ich bin noch nicht lange hier und wollte morgen Rabat ansehen. Haben Sie und Phillip Lust, mich zu begleiten?“
Sie reagierte nicht gleich. Schweigend hörten sie dem Pianisten zu, der noch bluesiger spielte, seit die Menge gegangen war. Als er sich erhob, um Pause zu machen, fragte sie Hugh: „Was genau verlangen Sie von mir?“
„Ich glaube, das wissen Sie.“
„Suchen Sie eine Geliebte? Oder etwas anderes?“
„Ich glaube, ich will, was auch immer Sie mir zu geben bereit sind.“
14. KAPITEL
S ie hieß Catherine Robillard
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