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Gefahrliches Vermachtnis

Gefahrliches Vermachtnis

Titel: Gefahrliches Vermachtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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oder Cappy für diejenigen, die sie beim Vornamen nennen durften. Ihr goldenes Haar, das ovale Gesicht und die blauen Augen, die immer durch einen durchzusehen schienen, ließen sie zerbrechlich erscheinen. Doch dieser Schein trog, und Ferris wusste es, weil er den Dingen, die ihn interessierten, immer auf den Grund ging. Und Cappy interessierte ihn.
    Am Weihnachtsabend wanderten Cappys Blicke suchend durch den mit Mistelzweigen geschmückten Ballsaal in Carol Bennetts Villa in Saint Charles. Ferris war kurz davor, zu erfahren, ob es ihm gelungen war, ihre Aufmerksamkeit zu erregen.
    Er galt bei den diesjährigen Debütantinnen als guter Fang. Seine Familie entsprach – dank seiner Mutter – den meisten gesellschaftlichen Anforderungen. Er war katholisch genug, um für ein Mädchen kreolischen Ursprungs infrage zu kommen, und seiner Religion gegenüber indifferent genug, um den meisten Protestanten zu gefallen. Sein Vater gehörte einer der besten Karnevalsorganisationen an; er war ebenfalls dafür vorgesehen. Ferris studierte seit zwei Jahren Jura an der Tulane University.
    Doch seine finanziellen Aussichten waren auch ohne dieses Studium exzellent. Seit die Regierung des Kriegs wegen begonnen hatte, Rohmaterial zu hamstern, stand Gulf Coast Shipping wieder ganz oben. Und jetzt, wo die Japaner Pearl Harbor attackiert hatten, würde das Geschäft erst recht florieren.
    Die meisten jungen Frauen in Bennetts Ballsaal wären glücklich gewesen, Ferris’ Aufmerksamkeit zu erlangen. Sie waren äußerst erpicht darauf, dass ihr Leben in der feinen Gesellschaft von New Orleans weitergehen würde wie bisher. Ferris war nicht nur einer der begehrtesten Männer im Saal, sondern ihm bliebe, wenn er in die Geschäftsleitung der Gulf Coast einsteigen würde, auch eine Einberufung erspart. Er würde den Krieg auf jeden Fall überleben.
    Cappy gehörte zu einer Rohrzuckerdynastie. Cappy wuchs behütet und vom Geld ihrer Eltern verwöhnt auf. Ihre Wurzeln waren tief in der Erde von Louisiana verankert. In der Ahnengalerie der Robillards aus der River Road gab es weder Kriminelle noch arme Weiße. Ihr Stammbaum ließ sich bis zum französischen Adel zurückverfolgen und sie legte allerhöchsten Wert auf dessen Reinheit. Die Familie sah sich nun jedoch des Kriegs in Europa wegen gezwungen, ein paar Kompromisse in ihrer fanatischen Weltanschauung einzugehen.
    Ferris wusste, was sich die Robillards unter einem perfekten Mann für Cappy vorstellten. Er sollte all seine Eigenschaften besitzen und dazu einen Familiennamen, der niemals auch nur ansatzweise Anlass für Gerüchte geboten hatte – weder in der Zeitung noch im Pickwick oder Boston Club. Damit konnte Ferris nicht dienen. Sein Vater war ein Mann ungewisser Herkunft und bekannt für seine zweifelhaften geschäftlichen und politischen Manöver. Henry hatte mit Huey Long zu tun, einem Menschen, der sich ständig gegen die Aristokratie von New Orleans gewandt hatte. Und nach Hueys Tod hatte Henry sehr unfein nach dessen Macht gegriffen.
    Wenn er damit Erfolg gehabt hätte, wäre ihm diese Anstößigkeit möglicherweise diskret nachgesehen worden. Doch 1939 war die Nachfolgeregierung zusammengebrochen; einige Skandale hatten die Stadt erschüttert. Henry hatte Glück gehabt, dass er nicht im Gefängnis gelandet war. Inzwischen konnte sich Henry zwar wieder in der Gesellschaft sehen lassen, aber diese Kreise hätten ihn niemals dazugehören lassen.
    Ferris schlenderte durch den Ballsaal. Die feine Gesellschaft war ihm egal. Ihn interessierten nur Cappy Robillard und die Frage, ob er es schaffen würde, sie auf der Rücksitzbank seines Wagens flachzulegen, bevor er in den Krieg ziehen und Nazis und Japse töten würde.
    Cappy stand bei einer Gruppe von Mädchen, die alle so taten, als bewunderten sie Carol Bennetts neuen Verlobungsring. Cappy gab vor, ihn nicht zu bemerken. Dass sie sich dennochseiner Gegenwart bewusst war, erkannte er daran, dass sie ihm ihre Schokoladenseite zuwandte. Als die Gruppe sich auflöste, drehte sie sich um, und ihre Blicke trafen sich. Er rührte sich nicht vom Fleck und wartete darauf, dass sie den Anfang machte.
    „Ich wusste gar nicht, dass du hier bist, Ferris Lee.“ Sie kam näher. „Erholst du dich mal von deinen Büchern?“
    Das Orchester, zehn weiße Jazzmusiker, begann mit dem ersten Song. Ferris streckte die Arme nach ihr aus. Sie reagierte mit einem Lächeln.
    Cappy legte ihm die behandschuhte Hand auf die Schulter. Es war ein langsamer

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