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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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ist nur noch einer übrig. Jakobs.«
    Sie sah mich mit offenem Mund an. »Aber das … Weiß die Polizei das alles, Varg?«
    »Selbstverständlich. Ich mache nur …« Ich beendete den Satz nicht.
    »Und das fing also …«
    Ich zählte an den Fingern ab. »1985 starb – Harry Kløve. 1986 – Arild Hjellestad, Johnny Solheim und Jan Petter Olsen.«
    »Aber Jan Petter Olsen gehörte doch gar nicht …«
    »Nein. Aber er war dabei an dem Oktoberabend 1975. Ganz zufällig. Findest du das nicht merkwürdig, Rebecca? – Ist das nicht ein ganz klares Indiz?«
    »Ich …«
    »Und 1987 – da ist vielleicht Jakob dran! Wenn nicht …«
    »Wenn nicht – was?«
    »Wenn nicht das Ganze ein Ende findet – jetzt.«
    »Und was würde das bedeuten?«
    Ich sah sie vielsagend an. »Ja? Was würde das bedeuten, Rebecca?«
    Sie strich sich mit der Hand durch das dunkelblonde Haar.
    »Ich weiß es nicht, Varg. Ich bin ganz – verwirrt.«
    Ich nickte. »Das wundert mich nicht.«
    »Er wird morgen beerdigt«, sagte sie unvermittelt.
    »Wer?«
    »Johnny! Ich sah die Todesanzeige.«
    Mir ging plötzlich ein Licht auf. »Die Todesan … Hör mal, Rebecca«, sagte ich, plötzlich erregt. »Du hast nicht vielleicht Bergens Tidende vom letzten Montag und dem Samstag davor?«
    Sie sah mich verwundert an. »Es liegt ein Stapel draußen in der Küche. Ist das – wichtig?«
    Ich nickte.
    »Vom letzten Montag – und Samstag?«
    »Ja.«
    Sie ging hinaus. Wenig später kehrte sie mit den beiden Zeitungen zurück.
    »Hast du sie?«
    Sie nickte.
    »Danke dir.«
    Ich nahm zuerst die vom Montag und schlug die Todesanzeigen auf. Da stand Jan Petter Olsens Todesanzeige.
    … ging plötzlich von uns, Freitag …
    Ich ließ die Zeitung aufgeschlagen liegen, griff nach der anderen und blätterte sie durch.
    Auf einer der ersten Nachrichtenseiten fand ich es: eine kleine Notiz in der äußeren, rechten Spalte.
    fiel von einem sechs Meter hohen Gerüst … alle Sicherheitsvorschriften waren befolgt worden … ein tragischer Unfall, äußerte sich der Baumeister …
    Zuerst am Samstag.
    Dann am Montag.
    Und Freitag hatte das Begräbnis stattgefunden.
    »Was ist denn, Varg?«
    »Nichts. Nur – eine Idee.« Aber diese Idee ließ mich verstummen, recht lange.
    In der Zwischenzeit war sie wieder von der winterlichen Dunkelheit draußen eingefangen worden. Ich sah ihr Gesicht im Spiegel der Fensterscheibe wie ein Abbild einer anderen Rebecca.
    Ihre Gesichter flimmerten an mir vorbei. – Die kleine Rebecca, frisch in die Straße gezogen, die auf der untersten Treppenstufe vor ihrem Haus stand, mit einem Finger im Mundwinkel und einem reservierten Blick auf ihre neue Umgebung. – Die Dreizehnjährige, die durch die Straße lief, Arm in Arm mit Freundinnen, kichernd, wenn sie an uns vorbeikamen, die wir mit einem Fußball herumhantierten und so taten, als sähen wir sie nicht … bis sie plötzlich verschwunden und in einen anderen Stadtteil gezogen war. – Die Achtzehnjährige in dem spärlich beleuchteten Raum, mit plötzlich erwachsenen Gesichtszügen, geprägt von einer ängstlichen Sinnlichkeit, als hielte sie die Luft an angesichts des Lebens, während ich mich langsam vorbeugte und ihr in der Mitte begegnete, in etwas, was sich später als der erste Kuß des Lebens darstellte. – Ihr Gesicht über den Bücherregalen, als ich ihr plötzlich in der Auslandsabteilung bei Beyer begegnete, im Keller. Ich war zur See gefahren, und wir hatten einander Briefe geschrieben. Aber dann wurde der Abstand zwischen den Briefen immer größer, und als wir uns da so zufällig trafen, an einem Regentag im September, flackerte ihr Blick, und wir redeten, über die Regale hinweg, über alles und nichts, bis sie sagte: Übrigens Danke für deine Briefe. Du hast wohl gehört, daß ich jetzt mit Jakob zusammen bin? – Und noch später, eine zufällige Begegnung, über einem Gewirr von Stimmen, an der Universität, in einem der Jahre, wo ich so tat, als wollte ich Examen machen: ihr Gesicht älter und plötzlich verändert, ernster; sie hatte gelernt, das Leben mit anderen Augen zu sehen, und alles, was einmal geschehen war, war weit, weit weg. – Und dann … jetzt.
    Ihr Blick wurde merkwürdig, und sie wandte sich wieder zu mir, sah mich nicht länger vom Spiegelbild in der Fensterscheibe an. »Du – siehst mich so an, Varg, was siehst du?«
    Ich lächelte schief. »Die, die du einmal warst, Rebecca«, sagte ich mit dünner Stimme.
    »Und – wer war das?«
    Ich griff

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