Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
Vom Netzwerk:
zusammengehalten haben, trotz des Kalten Krieges und alledem, ohne jemals zu zweifeln. – Ich erinnere mich … Ich bin ein paarmal im Versammlungshaus aufgetaucht. Als ihr betetet, stand ich stumm, mit geneigtem Kopf und die Hände ineinandergelegt, aber nicht gefaltet, während ich zu dir hinschielte, und euch, die ihr so freimütig betetet, so glücklich sah. – So wie die Pioniere der Norwegischen Kommunistischen Partei erzählten, daß sie sangen, in den Sommerlagern. Dieses – zu einer Gemeinschaft zu gehören, ein. Teil von etwas Großem zu sein – das habe ich nie erlebt, Rebecca.«
    Sie sah mich über den Rand des Glases hinweg an. »Nicht?«
    »Nein.«
    Plötzlich war es, als sei sie näher gekommen, als würde ihr Gesicht vor mir wachsen. Abrupt beugte ich mich vor, faßte um ihren Nacken, hielt sie einen Augenblick fest.
    Dann legte ich meinen Kopf vorsichtig zur Seite, beugte mich ganz nach vorn und küßte sie. Küßte Rebecca.
    Aber sie war zu weit weg. Ich stand vom Sofa auf und zog sie mit mir, hielt ihren zierlichen Körper fest in meinen Armen, hob ihr Gesicht zu meinem und küßte sie – einmal, zweimal, drei – wieder und wieder, bis mir aufging, wer wir waren, wo wir waren und zu welcher Zeit.
    Denn sie erwiderte meine Küsse nicht. Wie eine Salzsäule stand sie zwischen meinen Armen und schaute zurück, ins Sodom und Gomorrha.
    Langsam ließ ich sie los, murmelte eine Entschuldigung und ließ mich schwer wieder auf das Sofa fallen.
    Sie setzte sich einfach wieder hin, als sei nichts gewesen.
    Wir tranken die zweite Flasche auch noch aus. Es war ein Gefühl, als würde der ganze Modder auf den Grund meiner Beine sinken und zu Blei werden. Ich wurde von einer berauschten Lähmung ergriffen. Der Schlaf hatte schon seine Späher in mein Land entsandt. Mit einer Stimme, die irgendwie von außen kam, hörte ich mich selbst sagen: »Kann ich heute nacht hier bei dir schlafen, Rebecca?«
    Ihr Kopf lehnte jetzt an meiner Schulter, aber ihre Stimme kam von weit, weit her, als sie sagte: »Ist in Ordnung. Aber du darfst nicht – mit mir schlafen.«
    Dann war ich draußen auf einer Toilette bei der Hintertreppe, hielt den Kopf gegen eine beschlagene Zisterne und versuchte, ein Herz in die feuchten Tropfen zu zeichnen.
    Als ich in das kleine Zimmer zurückkam, hatte sie die Flaschen und die Gläser weggeräumt, das Sofa ausgeklappt und sich ein Baumwollnachthemd angezogen, in dem sie geradewegs in einen Atomreaktor hätte spazieren können, ohne Schaden zu erleiden.
    »Leg du dich nach innen«, murmelte sie in eine andere Richtung. »Ich gehe – kurz raus.«
    Ich war unsicher, wieviel ich ausziehen sollte, entschied mich dann aber für T-Shirt und Unterhose. Die Decke, die ich über mich breitete, duftete schwach nach Kindheit, und ich war schon halb auf dem Weg dorthin, als sie wieder hereinkam.
    Sie kroch behutsam unter die Decke, als sei ihr Körper aus Glas und als hätte sie Angst, er könne kaputt gehen.
    Bevor sie den Kopf auf das Kissen legte, sah sie mir gerade in die Augen und sagte: »Und ich meine es ernst.«
    »Ich habe nichts – gesagt«, murmelte ich.
    »Gute Nacht«, sagte sie.
    »Gute Nacht.«
    Nachdem sie einen Augenblick gezögert hatte, küßte sie mich schnell auf die Stirn. Dann legte sie sich hin, mit einem Stück der Decke fest in den leeren Raum zwischen uns gestopft und einem entschlossenen Winkel im Nacken.
    Eine Weile blieb ich liegen und lauschte auf ihre angespannten Atemzüge. – Jakob hatte mit ihr geschlafen. Johnny Solheim hatte es getan. Sogar Berge Brevik, ein einziges Mal. Aber ich, der sie … Ich, der … so viele Jahre … lang … ich sollte nicht …
    Dann trieb ich fort, auf den langen Dünungen des Schlafes, am Strand zur Ruhe gewiegt mit einem Traum.
    Es wurde ein Schlaf voller Bilder. Einmal wachte ich fast auf, und sie lag mit dem Rücken zu mir, ich hatte meine Arme um sie gelegt und spürte ihr schmales, langes Hinterteil gegen meinen erhobenen, steifen Fühler und trieb wieder davon. Ein anderes Mal hatte sie sich umgedreht und atmete an meinen Hals. Ihr Haar brannte wie ein Feuer auf dem Kissen, und ich lag mit erhobenem Rüssel, bereit, den Brand zu löschen. Dann war sie aus dem Bett, mit dem Rücken zu mir, nackt. Und schließlich … Aber schließlich –
    – war sie fort!
    Ich setzte mich abrupt im Bett auf, von dem plötzlichen Tageslicht um mich herum in einen Hinterhalt gelockt.
    Das Zimmer war leer, und auf dem Schreibtisch lag ein

Weitere Kostenlose Bücher