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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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»Tja … Und was nun?«
    »Wieso, was nun?«
    »Ich meine – hat das heute eine Bedeutung, zehn, elf Jahre danach?«
    »Was damals passiert ist, das war nicht gerade schön, Jakob. Fünf erwachsene Kerle, die …«
    »Aber du weißt nicht, wovon du redest, Varg! Du hast nie auf einer Bühne gestanden, mit einer heulenden Herde von Mädchen vor dir, erregter und erregter bis zum Höhepunkt, sie aufgeputscht – bis plötzlich der Vorhang fällt, die Bühne im Dunkeln liegt und alle um die Ausgänge zusammenströmen. – Du mußtest dich entladen. Da waren immer welche, die dastanden und warteten, und die mit der Band feiern wollten. Du bekamst immer eine Nummer, ein Loch, in das du deinen Modder füllen konntest, einen kalten Arsch, wenn es Morgen wurde. – Aber dann, plötzlich, waren wir auf dem absteigenden Ast. Wir merkten das, glaub’ mir. Die jungen Mädels waren weg. Neue Bands waren in Mode. Wir bekamen eine neue Sorte Publikum – solche wie Gro und Kari, die uns die ganze Zeit begleitet hatten – unsere eigenen, sozusagen. Und sie mußten nach Hause zu Mann und Kindern. Es wurden weniger und weniger, die vor der Bühne rumhingen, wenn es zu Ende war. Meistens mußten wir alleine feiern. – Und solch ein Tag war das. Dieser Tag.«
    »Es stand keine da und wartete?« sagte ich scharf.
    »Nein.« Er schluckte. »Also gingen wir zum Johnny nach Hause, um zu saufen. Arild hatte ein bißchen Stoff dabei. Tabletten. Der Harry rauchte Hasch, schickte es rum. – Die Stimmung wurde ziemlich … merkwürdig, sozusagen. Wie wenn man sich mitten in einem Wirbelwind befindet. Der Raum drehte sich um mich. Die Musik dröhnte auf voller Lautstärke. Der Rauch vom Joint lag schwer über uns allen, und mitten im Chaos, kann ich mich erinnern, so deutlich, als hätte ich ihn jetzt vor mir … der Johnny.«
    »Ja?«
    »Wie ein Panther, verstehst du? Auf dem Sprung, mit etwas Verschlagenem im Blick und die Hände an den Eiern, als würde er sich selber einen … Plötzlich stand er auf. – Nein, sagte er, ich halt’s nich mehr aus! Ich brauch’ ’ne Frau! – Und dann ging er raus, und alle grölten und lachten. Wir dachten natürlich, er wollte nur auf den Lokus.«
    Ich spürte, wie die Muskeln in meinen Lippen anfingen zu vibrieren, wie in Zuckungen. »Aber das – wollte er nicht?«
    »Nein, denn er blieb lange weg. Und als er wiederkam, sah er satt und zufrieden aus, und dann sagte er, während er in die Runde sah: Will noch jemand? – Es dauerte einen Moment, bis wir begriffen, was er meinte, und wir waren schon so high, alle miteinander, daß ich glaube … Hinterher wollte keiner von uns mehr wahrhaben, daß wir begriffen, was sich anbahnte … so sehr, daß wir uns kaum noch in die Augen sehen konnten. Das hat unsere Band in die Luft gesprengt, Varg – so stark war es!«
    »Das wundert mich nicht. Aber …«
    »Aber … ja. Der Harry ging zuerst, grinsend wie ein Idiot, Harpo Marx aus Verftet, zusammen mit dem Johnny. – Wir anderen blieben sitzen, in einer Art wachsendem Vakuum, so wie es wird, weißt du, mitten in den Wirbelstürmen. – Der Harry und der Johnny kamen zurück, der Harry strahlend: Es stimmt, Jungs – klasse Nummer! – Der Arild ging rein, Jan Petter – und zum Schluß …«
    »Du.«
    »Ja – ich!« Ein Ausdruck wuchs in seinem Gesicht, ein Ausdruck wie aus Raserei und Angst, vermischt mit Scham und maßloser Erniedrigung. »Du mußt nicht glauben, daß ich mich wie ein Held gefühlt hätte. Hinterher … Alles, was ich mir wünschte, war, es zu vergessen, zu vergessen! – Ich sah, wie die anderen Beziehungen daran zerbrachen. Anita verließ Johnny, Arild verlor Halldis. Erst mehrere Jahre später erzählte ich es Rebecca, aber sie blieb, merkwürdigerweise.«
    »Scheinbar.«
    »Na ja, dann also scheinbar! Sie hatte wohl das Gefühl, etwas gut zu haben. – Aber als ich wieder reinkam, nachdem ich … an dem Abend … und ich erinnere mich an sie, unter mir, wie eine Leiche, ohne zu atmen, ohne auch nur einen Finger zu bewegen … Es war wie – ja, wie mit einer Leiche zu schlafen! Als ich rein kam, und ich mich hingesetzt hatte und mir ein neues Glas Bier eingeschenkt hatte, da beugte der Johnny sich plötzlich vor und sagte so laut, daß es ganz still wurde im Zimmer: Du bist ’n verdammtes Schwein, Jakob! – Ich sah ihn an, verständnislos. Als sei ich der einzige. – Aber er fuhr fort: Weißt du, wen du da drinnen gefickt hast? – Ja? – Deine eigene Tochter, Jakob … Sie

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