Gefallene Engel
Strip-Musik habe«, sagte Jakob.
»Gut!« sagte Gro schnell. »Dann blasen wir’s ab.«
»Nein, nein«, sagte Jakob. »Uns fällt schon was ein.«
»Du kannst ja spielen«, schlug ich vor. »Du am Flügel, Gro oben drauf.«
»Gute Idee, Varg. Wo hast du die bloß alle her?« Er stand so abrupt auf, daß er seinen Drink verschüttete. »Ladies and gangsters! There’s a new piano player at Minky’s tonight …«
Wir klatschten, und er streckte Gro die Hand entgegen. »Aber die Hauptattraktion des Tages … Ladies and gangsters, give a big hand for – Gro … Pedersen.«
Gro stand auf, mit einer Bewegung, als hätte sie eine gespannte Feder im Rücken. »Da muß ich – erst.« Sie nahm den Drink, den ihr Jakob gegeben hatte und leerte ihn in einem Zug. Dann hielt sie ihm das Glas hin. »Noch einen.«
Jakob schenkte ihr einen großzügigen Drink ein, und sie nahm auch davon einen kräftigen Schluck, bevor sie zögernd zum Flügel ging. »Da oben drauf kann man doch nicht stehen. Denk an den Lack.«
»Das macht nichts. Es ist ein Gebrauchsflügel. Zieh dir als erstes die Schuhe aus.«
Sie sah Kari und mich an, die wir auf dem Sofa saßen wie zwei zukünftige Eheleute im Wartezimmer des Standesamtes, jeder mit einem melancholischen Drink in den Händen. Dann schüttelte sie langsam den Kopf, als könnte sie es selbst nicht glauben. Aber sie ging weiter.
Jakob stellte einen Stuhl vor den Flügel und reichte ihr eine Hand. Sie schlüpfte aus den Schuhen, stieg auf den Stuhl und von da aus auf das große Instrument. Dort blieb sie stehen, kerzengerade wie eine Puppe in einem Schaufenster. Sie strich sich mit einer Hand durchs Haar, hob langsam das Gesicht nach oben. Zwei Wandleuchten strahlten sie weich von hinten an. Flackernde Kerzenflammen beleuchteten sie von unserer Seite. Sie war eine typische lokale Schönheit und wäre auf der Neujahrsfeier des CVJM zweifellos ein Erfolg gewesen. Auf einer Stripteasebühne war sie eindeutig fehl am Platze.
Jakob schlug die ersten, zögernden Akkorde an, und sie schwankte nervös da oben.
Dann murmelte er, mit einem Wolfslächeln um den Mund: »Ah, one, and – ah, two, and – ah, three.« Und dann begann er zu spielen, langsam und eindringlich, mit einem fast hypnotisierenden Rhythmus, wie er früher einmal Sehnsucht und Lust in die Paare auf der Tanzfläche gespielt hatte.
Langsam gelangte Gro in den Rhythmus. Langsam begann sie, die Hüften hin und her zu bewegen. Langsam knöpfte sie ein, zwei, drei Knöpfe des schwarzen, grüngesprenkelten Blazers auf, und die Bluse darunter schien plötzlich unanständig weiß. Langsam ließ sie den Blazer von der einen Schulter gleiten, während sie sich ins Profil stellte, den einen Fuß vorschob und das Knie anwinkelte und eine Hand spielerisch an den Schenkel legte.
Ich applaudierte vom Sofa her, und Kari stimmte in den Takt ein.
Die Musik wurde eine Spur schneller. Gro zog den Blazer ganz aus und ließ ihn in der Luft rotieren, fast professionell, bevor sie ihn fallen ließ, und er im Raum verschwand und auf den Boden fiel.
Ihre Augen glänzten, ein starres Lächeln lag um ihren Mund, und mit langsamen, geübten Bewegungen knöpfte sie die weiße Bluse auf, zog sie aus dem Bund der grauen Jeans, und während sie uns den Rücken zuwandte, schlug sie die Bluse ganz zur Seite. Sie glich einem Engel, wie sie da stand: einem unanständigen Engel, der die Hüften so bewegte, daß er direkt in den Keller geschickt worden wäre, wenn Petrus ihn hätte sehen können.
Dann blieb sie stehen, fast bewegungslos, ließ die Bluse an einer Hand herunterhängen, ein schmaler, schöner Rücken, auf dem die Träger eines weißen BH’s eine Grenzlinie zogen zwischen Schulterpartie und dem Rücken darunter.
Sie drehte sich zu uns herum und kehrte uns wieder den Rücken zu.
Jakob murmelte ihr irgend etwas zu, während die Musik lauter und schneller wurde.
Wieder fiel sie in den Rhythmus. Jetzt ließ sie den Po kreisen, während ihre Hände vorne tasteten, und wir ahnten nur, daß sie den Gürtel öffnete und danach die Knöpfe der Hose. Noch einmal drehte sie sich zu uns um. Die Hose war vorne offen und wir erspähten den Rand eines knappen, schwarzen Höschens. Zu einem rauschenden Applaus von vier Händen wandte sie uns wieder den Rücken zu, beugte sich nach vorn, zog die enge Jeans von den Schenkeln und bugsierte sie vorsichtig die Beine hinunter, behutsam, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Dann zog sie sie ganz aus und die
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