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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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verschwunden, Kari mit einem flüchtigen Kuß auf meine Wange, Gro mit einem hastigen Winken von der Tür her. Die Wohnungstür knallte, und gleich darauf schlurfte Jakob herein, in T-Shirt und Unterhose, kratzte sich den Kopf und sagte: »Es lag ein Zettel in der Küche. Petter schläft bei einem Freund. Maria hat sich den Wecker selbst gestellt. Sie trägt Zeitungen aus.«
    Er ging zum Wandregal. »Ich glaub’, ich brauch’ noch einen Drink. Das war echt wie in alten Zeiten. – Du auch?«
    Ich nickte. In der Nacht hatten wir Braunes getrunken. Brandy.
    »Wie lange kennst du sie schon?«
    »Die Fans? – Oh, seit – schon viel zu lange. Ich hab’ schon mit der Gro, als sie noch keine sechzehn war.«
    »Ehrlich?«
    »Ja, so war es eben damals. Wenn wir auf Festen gespielt haben. Die kleinen Fans hingen vor der Bühne, und wenn du Lust auf eine Nummer hattest, brauchtest du nur mit dem kleinen Finger zu winken.« Er trank gemächlich, mit halboffenem, nachdenklichem Mund.
    »Und Kari – bist du mit ihr auch im Bett gewesen?«
    »Sie hat dir wohl gefallen, was?«
    Ich antwortete nicht.
    »Aber ich kann dich beruhigen. Die Antwort ist nein. Gro hätte nie … Sie waren Freundinnen, verstehst du?«
    Ich nickte.
    »Es war was Besonderes mit Gro. Wir fanden einen Ton, den wir behalten haben, auch nach dem ersten Mal. Etwas, was wir uns erhalten haben, bis heute.«
    »Aber damals, als sie fünfzehn war, das war, bevor du geheiratet hast?«
    »Jaja.«
    »Aber ihr habt euch weiter getroffen, auch nachdem du verheiratet warst?«
    Er sah mich an, machte erst eine unbestimmte Bewegung mit dem Kopf, aber dann nickte er. »So ab und zu. Mit großen Abständen. Jetzt war es mehrere Jahre her.«
    »Wo ist sie jetzt?«
    »Die Gro? Tut Dienst zu Hause bei Kapitän Krok, denke ich.«
    »Ich meinte – deine Frau?«
    »Oh – meine Frau. «Sein Blick veränderte sich wieder. »Genau danach wollte ich den Johnny fragen.« Dann stand er plötzlich auf. »Aber laß uns morgen weiter darüber reden. Wir brauchen noch ein paar Stunden Schlaf. Ungestörten meine ich. Stimmt’s? Jetzt, wo Petter nicht da ist … Na los.«
    Er winkte mir, ihm ins Zimmer des Jungen zu folgen, und räumte mir das Bett frei, unter Plakaten von englischen Fußballspielern und amerikanischen Popsängern, hinter Stapeln von Indianerbüchern und Hardybüchern, Raumfahrerzeitschriften und technischen Magazinen und umgeben von zehn, zwölf molligen, weichen Kuscheltieren: Tigern und Bären, Hunden und Affen.
    Wie ein Noah in meiner ganz privaten Arche trieb ich in die dunklen Fahrwasser der schwindenden Nacht, ohne einen Blick für anderes als den Schlaf, und erst spät am Vormittag des nächsten Tages sandte ich eine Taube aus, um nach Land zu suchen.

9
    Es gibt Tage, da schmeckt der Kaffee wie frische Brötchen, direkt vom Bäcker. Und es gibt Tage, da schmeckt er wie bittere Mandeln. Du holst dir dabei fast den Tod. Dies war solch ein Tag. Und das Brot schmeckte auch nicht sonderlich frisch.
    Die Küche war lang und schmal, mit Aussicht auf den Hinterhof. Die Einrichtung war allerdings ziemlich modern, und wir aßen an einem ölimprägnierten Kieferntisch, den man aus der Anrichte herauszog.
    Jakob sah blaß und zottelig aus, und ein Butterklecks hing ihm an der Wange. Auch er hatte Probleme, sein Essen hinunterzukriegen.
    Auf der Anrichte stand ein schwarzes Reiseradio. Im Radio wählte ein lokaler Schriftsteller Platten aus. Sie spielten Yesterday. Passend zum Schriftsteller.
    »Woran sind sie gestorben?« fragte ich und grub ein Grab in der Butterdose.
    Er sah mich verwirrt an. »Wer? Nur Lennon ist tot.«
    »Ich dachte an – Arild Hjellestad und Harry Kløve.«
    Er antwortete nicht, sondern gab ein Zeichen, daß er den Mund voll hätte. Dann griff er nach seinem Milchglas, um dem Essen hinunterzuhelfen. Aber er griff daneben, das Glas fiel um und die Milch bildete einen Fleck, der wie der Mjøsa {3} aussah, mitten auf dem Tisch.
    »Ihr hättet doch als Duo weiterspielen können. Du und der Johnny.«
    Er schluckte, holte ein Tuch und wischte die Milch auf. »Und womit hätten wir auftreten sollen? Mit Alle Vögel sind schon da und Wir lieben die Stürme? «
    »Guter Vorschlag. – Na? Woran sind sie gestorben?«
    Es zuckte leicht in seinem Mundwinkel. »Sie … Ziemlich zeittypische Ursachen, fürchte ich. Harry starb bei einem Autounfall. Arild hat sich totgesoffen.«
    »Wann war das?«
    »Wann sie gestorben sind? Äh … Harry im letzten Jahr, und Arild

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