Gefallene Engel
ziemlich erregt darüber, daß Johnny nicht auftauchte.«
Er nickte langsam. »Sagte er warum?«
»Nein.«
»Kannst du dir denken, warum?«
»Er wirkte, als hätte er vielleicht die Sorge, daß der Johnny mit einer … jungen Sängerin abgehauen sein könnte. Ein neuer lokaler Star, der sich Bella nennt, aber Belinda heißt – Bruflåt. Sie trat auch im Steinen auf, und wir haben sie Freitag getroffen, in Johnnys Garderobe.«
»Hattest du den Eindruck, daß etwas zwischen den beiden war?«
»Wenn du Belinda Bruflåt triffst, wirst du den Eindruck haben, es sei etwas zwischen dir und ihr.« Ich sah rasch zu Eva Jensen hinüber. »Sie ist dieser Typ.«
Eva räusperte sich ironisch, und Vegard Vadheim sah schräg zu ihr hoch. Dann fuhr er fort: »Mit anderen Worten – ja. Höchstwahrscheinlich. – Und … war sie auch an diesem mondänen Treffpunkt, im Hot Spot?«
Ich nickte. »Aber sie verschwand.«
»Verschwand?«
»Ja – oder, sie ging eben.«
»Und warum? Ich meine, hat sie was gesagt, ob …«
»Jedenfalls nicht zu mir. Sie ging einfach.«
»Vielleicht sollten wir mit ihr reden?«
»Viel Vergnügen, in dem Fall. Aber nimm – Frau? Fräulein? – Jensen mit.«
»Fräulein«, sagte Eva Jensen spitz.
»Hast du noch mehr Katzen im Sack, Veum?«
»Seine Frau. Das heißt – seine zweite Frau. Bente Solheim.«
Er nickte. »Das haben wir schon am Tatort mitgekriegt.« Er blätterte in ein paar Notizen. »Und sie kam … um drei Uhr nach Hause. Allein. Mit dem Taxi.«
»Aber …«
»Wir haben den Taxifahrer ausfindig gemacht. Er hat uns erzählt, daß sie von einem Mann zum Taxi gebracht wurde. Sie gab es zu – schließlich. Aber sie behauptete, sie wüßte nicht, wie er hieß, daß es nur jemand war, den sie getroffen hatte, ganz zufällig, und daß sie nichts anderes unternommen hätten, als spazierenzugehen und zu reden.« Er sah mich vielsagend an.
»Das perfekte Alibi, mit anderen Worten. Wenn ihr den Mann findet – und wenn sie es nicht zusammen getan haben …!«
»Hast du gesehen, mit wem sie getanzt hat, Veum?«
»Ja. Und Jakob Aasen weiß, wer er ist. Der Mann von einer Frau – namens Gro.«
»Der Mann einer Frau namens Gro?« Er notierte es. »Das hier fängt langsam an, ein ziemlich farbenfrohes Netz zu werden.«
»Stimmt.« Mehr sagte ich nicht.
Vegard Vadheim saß da und sah mich grübelnd an. Er hatte in der einen Hand einen gelben Stift, den er nachdenklich zum Mund führte und dann hineinbiß. »Was gedenkst du jetzt zu tun, Veum? Weiter nach Rebecca Aasen suchen?«
»In dem Fall müßte ich wohl erst mit Jakob reden. Wenn er will – und wenn es für euch in Ordnung ist –, dann steht dem hoffentlich nichts im Wege, daß ich weiter – nach ihr suche.«
Er nickte langsam. »Wir wären dir in dem Falle dankbar, wenn du uns erzählen würdest, wo sie ist, wenn du sie findest.«
»Ich soll sie also nicht bitten, sich bei euch zu melden?«
»Vorläufig warten wir, glaube ich, erst mal ab. Ich meine … Daß sie ein Verhältnis mit Johnny Solheim hatte, wie lange ist das her?«
»Ich weiß es nicht genau. Vier, fünf Jahre.«
»Das rechtfertigt kaum, sie heute zum Verhör zu bestellen – vorläufig.«
»Tja dann.« Ich hob die Hände.
Wir saßen einen Augenblick da und sahen einander an wie zwei Schachspieler, die sich nicht sicher sind, wer am Zug ist.
Dann beugte ich mich wieder nach vorn. »In Ordnung. Ich werd’ es dir lieber erzählen, wenn ich auf irgendwas stoßen sollte.«
»Tu das, Veum. Tu das.« Er sah fragend zu Eva Jensen. »Gibt es sonst noch etwas, das du vergessen hast zu erwähnen? Was ich wissen sollte?«
Ich tat, als dächte ich nach. »Nein. Nichts, was mir jetzt einfällt. – Heißt das, daß ich gehen kann?«
Er hob die Hand in Richtung Tür. »Du bist ein freier Mann, Veum. Bezahl an der Rezeption, wenn du gehst.«
»Doch nur für das, was ich mir aus der Minibar genommen habe, oder?«
Eva Jensen lachte, ein abruptes, trällerndes Lachen. Wir sahen sie beide an. Dann stand ich auf, winkte ihnen kurz zu und ging hinaus.
Der Korridor draußen war leer. Zwei Zimmer weiter klapperte zögernd eine Schreibmaschine, wie ein Mund mit schlechten Zähnen, der in ein zähes Stück Fleisch beißt.
Ich ging schnell meines Weges, um nicht Muus zu begegnen.
Auf der Treppe fiel mir plötzlich auf, daß ich tatsächlich vergessen hatte, ihm etwas zu erzählen. Nämlich daß von den vieren, die in der Zeit von 1958 bis 1975 die Rockgruppe Harpers
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