Gefallene Engel
außer Kontrolle. Du kannst nur noch versuchen, irgendwie zu überleben, solange die hormonelle Schlacht tobt. Halt dich fest und hoffe, dass du nicht abstürzt. Bleib am Leben und warte auf die Entladung.«
»Wie auch immer.« Sie gähnte und sah aus dem Fenster. »Ich bin nicht sehr gut im Warten, Kovacs. Man könnte meinen, als Archäologin wäre ich von dieser Untugend geheilt worden, nicht wahr?« Ein zittriges leises Lachen. »Und… durch das Lager…«
Ich stand abrupt auf. »Ich werde Ihnen eine Pfeife holen.«
»Nein.« Sie hatte sich nicht bewegt, aber ihre Stimme war wie ein fester Griff. »Ich muss nichts vergessen, Kovacs. Ich möchte…« Sie räusperte sich. »Ich möchte, dass Sie etwas für mich tun. Mit mir. Was Sie getan haben. Schon einmal, meine ich. Was Sie getan haben, hatte…« – sie betrachtete ihre Hände -»eine Wirkung, mit der – ich nicht gerechnet hatte.«
»Ach.« Ich setzte mich wieder. »Das.«
»Ja, das.« Nun flackerte leichte Verärgerung in ihrem Tonfall auf. »Ich schätze, es ergibt Sinn. Es ist ein Prozess zum Geradebiegen von Emotionen.«
»Ja, so ist es.«
»Ja. Nun, es gibt da eine spezielle Emotion, die ich gerne gerade gebogen haben möchte, und ich sehe wirklich keine andere Möglichkeit, das zu tun, als mit Ihnen zu vögeln.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob…«
»Das ist mir egal«, sagte sie heftig. »Sie haben mich verändert. Sie haben mich fixiert.« Dann wurde ihre Stimme ruhiger. »Ich schätze, ich sollte dankbar sein, aber so fühlt es sich nicht an. Ich empfinde keine Dankbarkeit, sondern nur eine Fixierung. Das haben Sie gemacht. Ich bin im Ungleichgewicht, und ich will diesen Teil von mir wiederhaben.«
»Tanya, Sie sind noch nicht in der nötigen Verfassung, um…«
»Ach, das.« Sie lächelte matt. »Ich weiß, dass ich im Augenblick nicht gerade sexuell attraktiv bin, außer vielleicht…«
»Das habe ich nicht gemeint.«
»Für ein paar Freaks, die gerne pubertierende Hungerharken ficken. Nein, dagegen müssen wir etwas tun. Wir müssen es virtuell machen.«
Ich bemühte mich, ein lähmendes Gefühl der Unwirklichkeit abzuschütteln. »Sie wollen es jetzt tun?«
»Ja.« Wie ein abgeschnittenes Lächeln. »Es interferiert mit meinem Schlafrhythmus, Kovacs. Und jetzt brauche ich dringend Schlaf.«
»Haben Sie einen bestimmten Ort im Sinn?«
»Ja.« Es war wie eine Mutprobe unter Kindern.
»Und wo genau befindet er sich?«
»Ein paar Stockwerke tiefer.« Sie stand auf und schaute auf mich herab. »Für einen Mann, der gleich flachgelegt wird, stellen Sie ziemlich viele Fragen.«
Ein paar Stockwerke tiefer hielt der Lift auf einer Etage, die er als Freizeitbereich ankündigte. Ich blickte in einen Raum ohne Zwischenwände mit klobigen, insektenartigen Maschinen, die drohend im Zwielicht lauerten. Im Hintergrund des Fitness-Centers erkannte ich die schrägen Netze von ungefähr einem Dutzend VR-Gestellen.
»Wollen Sie es hier drinnen machen?«, fragte ich unbehaglich.
»Nein. Hinten gibt es abschließbare Kammern. Nun kommen Sie schon!«
Wir durchquerten den Wald der schlafenden Maschinen, an denen Lichter aufblitzten, als wir uns näherten und wieder erloschen, wenn wir weitergegangen waren. Ich beobachtete das Geschehen aus einer neurasthenischen Grotte, die sich um mich herum gebildet hatte, seit ich vom Dach zurückgekehrt war. So etwas passierte manchmal, wenn man zu lange virtuell war. Dazu das vage Gefühl, als hätte man Abschürfungen an der Innenseite des Schädels, nachdem man sich ausgeklinkt hatte, die beunruhigende Empfindung, dass die Wirklichkeit nicht mehr scharf genug war, eine schwankende Verschwommenheit, die vielleicht wie der Eintritt in den Wahnsinn war.
Um sich davon zu erholen, war es definitiv nicht sinnvoll, noch mehr virtuelle Zeit zu verbringen.
Es gab neun Kammern, modulare Ballons, die aus der hinteren Wand hervorquollen und mit entsprechenden Nummern versehen waren. Sieben und acht standen einen Spalt weit offen. Schwaches orangefarbenes Licht drang hinter den Türen hervor. Wardani blieb vor Nummer sieben stehen, worauf die Tür ganz aufschwang. Das warme Licht, auf sanften Hypnomodus geregelt, breitete sich auf angenehme Weise aus. Ohne zu blenden. Sie drehte sich zu mir um.
»Nehmen Sie die nächste«, sagte sie. »Nummer acht wird von dieser hier gesteuert. Wählen Sie einfach ›sinnlich‹ aus dem Menü aus.«
Sie verschwand im warmen rötlichen Schimmer.
In Modul acht hatte jemand die
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