Gefallene Sonnen
Arbeit fort. »Hier in den Ringen gibt es keine interstellaren Schiffe. Daran hat Del Kellum keinen Zweifel gelassen. Wir können das Osquivel-System nicht verlassen. Welchen Sinn hat die Flucht?«
»Ich dachte, du würdest dich freuen«, sagte Andez vorwurfsvoll. »Willst du nicht entkommen? Oder gefällt dir Kellums verdammte Tochter, die dauernd mir dir zu flirten versucht?«
Fitzpatrick hoffte, dass er nicht errötete. »Ich spiele nur den Advocatus Diaboli. Nach dem, was mit Bill geschehen ist, sollten wir sehr vorsichtig sein. Entschuldigt, aber mit einem Schiff fünfzig Jahre bis zum nächsten Planeten unterwegs zu sein… Das wirkt nicht sehr verlockend auf mich.«
Yamane blieb ruhig. »Wir haben die hiesigen Aktivitäten sehr genau beobachtet, Patrick. Einmal in fünf Tagen kommt ein Frachter von den Kometen-Anlagen hoch über dem Sonnensystem. Er transportiert eine Ladung Ekti, die ein Pilot zu einem Verteilungszentrum bringt, wo der Treibstoff an die Clans verkauft wird. Wenn wir den Frachter unter Kontrolle bekommen, könnte einer von uns entwischen.«
Fitzpatrick fühlte sich zwischen zwei unmöglichen Situationen gefangen. Ihm gefiel die Vorstellung nicht, dass Soldaten-Kompis in den Werften Amok liefen. Was war, wenn Zhett ins Kreuzfeuer geriet? Er wollte nicht, dass sie zu Schaden kam. Außerdem musste er den Roamern zugestehen, dass sie unter widrigen Umständen erstaunlich viel geleistet hatten. Es wäre schade gewesen, das alles zu ruinieren.
Andererseits: Eine Chance zur Flucht musste genutzt werden. Das war er seinen Kameraden schuldig.
Der Plan beunruhigte Fitzpatrick, aber er konnte keine Fehler darin erkennen. Frachter waren plumpe, unelegante Schiffe, doch sie verfügten über einen Sternenantrieb. »Ich gebe zu, dass die Roamer vermutlich nicht mit so etwas rechnen. Aber die meisten von uns müssten hier zurückbleiben. Was nützt es dreißig, wenn einer entkommt?«
»Einer genügt«, sagte Yamane. »Wer auch immer es ist: Er muss die TVF-Kavallerie holen.«
»Und wir halten so lange durch, bis sie hier eintrifft.« Andez beugte sich näher und sprach schnell, als sie sah, dass sich der Roamer-Aufseher näherte. »Du musst es versuchen, Fitzpatrick. Du bist unser bester Pilot. Schnapp dir den Frachter und flieg damit zur Hanse, um uns zu retten.«
»Ja«, erwiderte Fitzpatrick ohne Begeisterung. »Ich schätze, es kommt niemand sonst infrage.«
62 MAUREEN FITZPATRICK
Ihre Büros auf der Erde waren nicht annähernd so groß wie jene, die ihr vor Jahren als Vorsitzende der Hanse zur Verfügung gestanden hatten, aber Maureen Fitzpatrick gab sich mit ihnen zufrieden. Seit fast einem halben Jahrhundert lebte sie im Ruhestand, aber die Arbeit gab sie nie auf.
Während der vergangenen Jahrzehnte hatte sie von ihrem prächtigen Haus tief in den Rocky Mountains aus gearbeitet, umgeben von hohen Gipfeln und langen Skipisten. Ein eigener Shuttle-Landeplatz ermöglichte es ihr, jederzeit zu starten und zu jedem beliebigen Ort der Erde zu fliegen, wenn sie irgendwo an einer Konferenz teilnehmen wollte.
An diesem Tag setzte sie ihre private Flotte und gut bezahlten Piloten dafür ein, andere Besprechungsteilnehmer zu ihr zu bringen, während sie zu Hause wartete. Dieses Treffen musste auf ihrem eigenen Boden stattfinden.
Maureen sah mindestens dreißig Jahre jünger aus, hauptsächlich aufgrund von Behandlungen, die den Alterungsprozess verlangsamten – bestimmt nicht wegen eines sanften, stressfreien Lebensstils. In einem Büro hatte sich die frühere Vorsitzende immer wohler gefühlt als daheim, und deshalb hatte sie sich in ihrem großen Anwesen entsprechend eingerichtet. Eine Gruppe aus immer wieder wechselnden Beratern und Fachleuten bildete eine Art Denkfabrik. Manchmal nahm die Hanse ihre Sachkenntnis in Anspruch. Bei anderen Gelegenheiten wies man Untergebene an, sich um Angelegenheiten zu kümmern, die sie interessierten. Manchmal ergriff Maureen selbst die Initiative und nutzte ihre Beziehungen, um einen Vorschlag bis auf den Tisch der Regierung zu bringen.
Für diesen besonderen Tag hatte sie von ihren Bediensteten einen langen Tisch mit Erfrischungen vorbereiten lassen: exotisches Obst, Feingebäck und viele unterschiedliche Getränke. Nach reiflicher Überlegung beschloss Maureen, die Besprechung auf der sonnigen Veranda stattfinden zu lassen. Der Himmel zeigte ein perfektes Colorado-Blau, und der späte Frühling war erstaunlich warm. Die Bedingungen waren ausgesprochen
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