Gefallene Sonnen
Wasserwesen untereinander austauschten. Die Bilder folgten so schnell aufeinander, dass Jess keine Einzelheiten erkennen konnte, aber er begriff, was geschehen war: Die TVF hatte einen weiteren Außenposten der Roamer angegriffen, das Zuhause von Nikko Chan Tylar, dem mit knapper Not die Flucht gelungen war.
Jess’ vierzehn freiwillige »Wasserträger« brachten die Wentals zu den Seen und Ozeanen unbewohnter Welten, wo sie wachsen und sich ausbreiten konnten. In gewisser Weise ähnelten die Wentals den Verdani, den Weltbäumen von Theroc, aber die vierzehn Roamer waren nicht wie die grünen Priester des Weltwalds physisch verändert worden, damit sie direkt mit anderen Wentals kommunizieren konnten.
Unter allen Freiwilligen wies Nikko eine besondere Sensibilität den Wentals gegenüber auf. Die Wasserentitäten hatten ihm gestattet, mit ihnen zu kommunizieren und die Nachricht vom TVF-Angriff auf das Hurricane-Depot weiterzugeben. Doch Jess bezweifelte, ob die anderen Wasserträger die Details der Botschaft erfassen konnten, die Nikko gerade mithilfe der Wentals gesendet hatte.
Jess erlebte all die Dinge, die der junge Mann dem Wental-Wasser an Bord seines Schiffes mitteilte. Die TVF brachte die Treibhausasteroiden unter ihre Kontrolle und nahm alle Roamer gefangen, während Nikko den Tiwi-Verfolgern entkam.
Als sein Schiff tiefer in die Atmosphäre von Golgen sank, rang Jess mit sich selbst. Er war noch immer ein Roamer und fühlte sich verpflichtet zu helfen – wenn er Hilfe leisten konnte. Aber der Angriff auf die Treibhausasteroiden war schon vorbei, ebenso wie die Zerstörung von Rendezvous und des Hurricane-Depots. Es hatte keinen Sinn mehr, wenn er sich jetzt auf den Weg machte.
Sein schimmerndes Schiff wäre zweifellos eine große Überraschung für die Schlachtschiffe der Tiwis gewesen, aber so mächtig er auch sein mochte: Er konnte nicht allein mit der ganzen TVF fertig werden. Er hoffte, dass seine Schwester Tasia nicht zu den Angreifern zählte. Sie leistete Dienst beim terranischen Militär, aber bestimmt wäre sie nicht bereit gewesen, an dem Überfall auf einen Außenposten der Roamer teilzunehmen. Wo mochte sie jetzt sein?
Nein, Jess wusste, dass er sich nicht ablenken lassen durfte. Er musste seine Mission fortsetzen, die zum Ziel hatte, die Wentals wieder erstarken zu lassen. Wenn kein Sieg über die Hydroger gelang, waren die Streitereien unter den Menschen bald bedeutungslos…
Um ihn herum wurden die Wolken aus Ammoniak, Kohlenwasserstoff, Phosphin und Schwefelkohlenwasserstoff immer dichter. Unerwartete Furcht kratzte wie ein Fingernagel über Jess’ Knochen. Seine Empfindung ging auf die Wentals zurück: Sie erinnerten sich voller Unruhe an die Jahrhunderte der Fast-Auslöschung, die sie den Hydrogern verdankten.
»Seltsam, aber ich glaube, wir waren dazu bestimmt, Verbündete zu werden«, sagte Jess. »Noch bevor ich von den Wentals erfuhr, habe ich den Hydrogern eine tiefe Wunde zugefügt – mit Kometen, gefrorenem Wasser. Ich würde gern sehen, was jene Kometen angerichtet haben.«
Das schimmernde Schiff sank noch tiefer ins Wolkenmeer, und Jess blickte durch die transparente Hülle nach draußen. In einer stabilen Schicht sah er verblüffende Trümmer: gewaltige Fragmente von Kuppeln, Reste einer riesigen Stadt der Hydroger. Durch den Einschlag der Kometen waren die Stadtsphären geborsten und implodiert.
Die fremden Städte mussten wundervoll gewesen sein, und Jess fragte sich, wie viele Hydroger er mit dem Kometenbombardement getötet hatte. Aber ganz gleich, wie viele es auch sein mochten: Es waren nicht annähernd genug für die vielen Roamer, die die Hydroger umgebracht hatten, oder für die Wentals, die vor zehntausend Jahren fast ausgelöscht worden waren.
Die Wentals sprachen zu Jess. Wir werden wieder stärker, und Golgen wird nur der erste von vielen Siegen über die Hydroger sein.
Bei den Trümmern in der dichten Atmosphäre hielt Jess vergeblich nach Resten der Blauen Himmelsmine Ausschau. Die Hydroger hatten sie vor Jahren vernichtet und vermutlich keinen Gedanken an die unschuldigen Menschen vergeudet, die dabei ums Leben gekommen waren.
Jess dachte an das letzte Mal, als Ross ihm voller Stolz auf seiner eigenen Mine begegnet war. Seinem Bruder war es gelungen, ein geschäftliches Wagnis in einen Erfolg zu verwandeln, und dadurch hatte er sich seiner schönen jungen Verlobten würdig erwiesen. Cesca. Damals hatte Jess’ größtes Problem darin bestanden,
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