Gefallene Sonnen
Beantragt ihr bei einem gebrochenen Fingernagel eine Kriegsverwundeten-Medaille?«
»Eure Arbeitsschichten werden nicht länger und gefährlicher sein als die der Roamer«, knurrte Kellum. »Natürlich wird man euch überwachen. Jeder Versuch, Dinge zu sabotieren oder unsere Produktivität zu verringern, werden mit der Streichung von Rationen und Privilegien geahndet.«
Zhett musterte die Gefangenen. »Sehen Sie darin eine Chance, nach draußen zu kommen und sich die Beine zu vertreten. Das galt auch für Sie, Fitzie.« Er errötete, als sie seinen Spitznamen nannte. »Wenn Sie einfache Arbeit leisten, finden Sie vielleicht Gefallen daran. Sie bekommen Gelegenheit festzustellen, wie der Rest der Bevölkerung lebt.«
Andez ballte die Fäuste und schien dazu bereit zu sein, sich auf den nächsten Roamer zu stürzen. Fitzpatrick berührte sie am Arm. »Lass nur.«
»Willst du dir so was von ihr anhören?«
»Hab Geduld. Bestimmt fällt uns etwas ein.« Fitzpatrick wandte den Blick nicht von Zhett ab. Er war bei seiner Großmutter Maureen Fitzpatrick aufgewachsen und an ein sorgloses, bequemes Leben gewöhnt. Vor einem Jahr hätte er es kaum für möglich gehalten, sich einmal mit einfachen Arbeiten befassen zu müssen, aber derzeit erschien ihm diese Aussicht gar nicht so schlecht.
Zwei Jahre vor Beginn des Hydroger-Kriegs hatte Fitzpatrick sein Interesse an alten Autos entdeckt und mehrere Sammlerstücke gekauft. Damals hatte er großen Gefallen daran gefunden, ganze Tage in der Garage zu verbringen, die Wagen zu putzen und dem Brummen der instand gesetzten Motoren zu lauschen. Es war die erste Tätigkeit gewesen, die ihn mit Zufriedenheit erfüllt hatte.
Doch die Großmutter hatte nicht viel von den Basteleien des jungen Fitzpatrick gehalten. Als er sich bei einem Bankett verspätete und mit schmutzigen Fingernägeln kam, verbot sie ihm sein Hobby. Ohne sein Wissen versteigerte Frau Streitaxt alle Autos bei einer Wohltätigkeitsauktion und verbot ihm, jemals wieder seine Zeit mit solchen Dingen zu vergeuden.
Als er die anderen Gefangenen ansah, wusste er, dass sie alle zu ihrem früheren Leben in der Hanse zurückkehren wollten. Seinen Kameraden gegenüber hätte er das nie zugegeben, aber er fand es angenehm, nicht ständig irgendwelchen Verpflichtungen nachkommen zu müssen.
Auf der Erde und in der TVF war er ein Adliger gewesen, immer von seiner Großmutter beobachtet und immer an ihren Erwartungen gemessen. Jetzt hielt man ihn daheim für tot, und zum ersten Mal fand Fitzpatrick Gelegenheit, darüber nachzudenken, was er wollte. Es war beunruhigend und sehr verwirrend, aber auch befreiend. Zwar mochte er es nicht, gefangen zu sein, aber er war bereit, mit den Händen zu arbeiten. Vielleicht sollte er darum bitten, sich mit Maschinen und energetischen Systemen beschäftigen zu dürfen…
Kellum projizierte eine Darstellung der Ringe auf einen Wandschirm und zeigte auf die zentralen Einrichtungen der Werftanlagen. Zhett begann damit, Namen und Aufgaben vorzulesen. »Dies sind vorläufige Einteilungen. In den Ersatzteillagern sind Inventarisierungen erforderlich. In den Raumdocks und Produktionsstätten können auch ungelernte Arbeitskräfte Wartungen durchführen. Einfache Arbeit steht in den Verwaltungskomplexen und Wohnkuppeln zur Verfügung; damit meine ich zum Beispiel Tätigkeiten als Pförtner und in der Hauswirtschaft.«
»Roamer-Todeslager«, zischte Andez.
Zhett sah Fitzpatrick an, als könne ihr Blick die Mauern einreißen, die er um sich herum errichtet hatte. »Wenn jemand besondere Fähigkeiten hat, so könnten wir ihn einer anderen Gruppe zuweisen.«
Fitzpatrick war in Luxus aufgewachsen, aber seine Familie hatte immer viel von ihm erwartet. Jetzt bekam er die Chance, sich zum ersten Mal mit den Dingen zu befassen, die ihn wirklich interessierten.
Kellum verlangte erneut ihre Aufmerksamkeit und zeigte ihnen schematische Darstellungen der verschiedenen Schiffe in den Werftanlagen. »Seht euch das hier genau an. Ich weiß, dass ihr nach dem fehlgeschlagenen Fluchtversuch eures Kameraden alle ans Entkommen denkt. Euer Freund brach mit zu wenig Treibstoff, Proviant und Lebenserhaltung auf. Er wusste nicht einmal, in welche Richtung er sich wenden sollte, und er bezahlte seine Dummheit mit dem Leben.«
Er überhörte das zornige Brummen der TVF-Gefangenen und klopfte auf die Diagramme der dargestellten Schiffe. »Damit es bei euch nicht den geringsten Zweifel gibt… Dies sind die Schiffe,
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