Gefangen (German Edition)
Erscheinungsbild verband.
Dann sah er sie. Halblange dunkelbraune Haare, nicht mit dem kastanienbraunen Farbstich wie Delias, aber das würde niemandem auffallen. Wenn sie normale Durchschnittskleidung trug, mochte es funktionieren. Sie sah ihr auf den ersten Blick einigermaßen ähnlich. Er hielt an und ließ die Scheibe auf der Beifahrerseite herab.
Die Frau kam näher, beugte sich herunter, stützte sich auf die Autotür. «Hallo, guten Abend!»
«Guten Abend, Lust auf einen besonderen Auftrag?»
Sie lächelte künstlich mit ihren knallrot geschminkten Lippen. «Was soll’s denn sein, mein Lieber?»
«Steig ein, dann erzähl ich es dir.» Lennart unterstützte seine Worte mit einer entsprechenden Kopfbewegung. Er hasste es, ungebeten geduzt zu werden.
Für einen Augenblick zögerte sie. Normalerweise verhandelte sie erst über das Was, Wo, Wieviel, aber dann nickte sie, öffnete die Tür und stieg ein, während Lennart den Knopf für den elektrischen Fensterheber betätigte, um das Fenster wieder zu schließen.
«Nun, wohin möchtest du? Wie soll ich es dir machen?», fragte sie.
Er schüttelte den Kopf, fuhr ein paar Meter weiter bis zu einer Einfahrt und machte den Motor aus. Dann griff er in das schmale Fach unter dem Lenkrad, holte das Bedienungshandbuch heraus und schlug es auf. Er entnahm ihm die Karte einer Krankenkasse und ein aus dem Computer gedrucktes Merkblatt mit einigen Angaben.
«Es geht nicht um Sex», sagte er und schaute die Frau an. «Ich möchte, dass du morgen zum Arzt gehst und dich krankschreiben lässt. Unter diesem Namen.» Er reichte ihr den Ausweis und das Blatt. «Du bist bereits angemeldet. Der Termin ist um elf Uhr. Jammere dem Arzt etwas vor, wie psychisch angeschlagen du derzeit bist. Natürlich erzählst du ihm nichts von deinem wahren Beruf.» Ein zynisches Grinsen spielte um seine Mundwinkel. «Du bist Bankangestellte, Börsengeschäft, zu viel Verantwortung für Kundengelder und überhaupt Stress pur.»
Die Frau zog die Augenbrauen hoch. «Und wenn er mich dazu etwas fragt? Einen Tipp haben möchte, wie er sein auf die Seite gebrachtes Geld anlegen soll? Ich habe davon keine Ahnung!»
Lennart schüttelte den Kopf. «Unwahrscheinlich. Schließlich bist du als Patientin dort.»
«Ich soll also als …», sie schaute auf das Blatt und las, «Delia Markwart auftreten?»
«Richtig. Hälfte der Bezahlung jetzt, Rest morgen Abend um dieselbe Zeit, wenn du mir den Krankenschein lieferst. Und natürlich die Karte.» Er holte sein Portemonnaie heraus und entnahm ihm einen Schein. «Noch Fragen?»
«Nein. Bis morgen.» Sie stieg aus und ging den kurzen Weg zurück.
Lennart war ein wenig später dran. Es hatte einen Unfall gegeben, der die Fahrbahn in seiner Richtung blockierte, und es hatte eine Weile gedauert, bis die Polizei kam und den Verkehr regelte.
Er fuhr langsam die Ausfallstraße entlang, aber sie war nicht da. Schließlich stellte er sich in dieselbe Einfahrt wie am Vorabend und machte den Motor aus. Es waren etwa zehn Minuten vergangen, als er sie im Rückspiegel kommen sah.
«Du bist spät dran», kritisierte er kalt.
«Guten Abend. Tut mir leid. Aber so genau lässt sich das in meinem Job nicht immer timen», erwiderte sie, nachdem sie eingestiegen war. Sie zog den Reißverschluss ihrer Handtasche auf und entnahm ihr einen Umschlag.
«Hat der Doktor irgendwelche besonderen Fragen gestellt?», fragte Lennart.
«Nein, es war viel einfacher, als ich gedacht hätte.»
Er nickte zufrieden und entnahm dem Umschlag Original und Fotokopie der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Die Datierung umfasste zehn Arbeitstage. Offensichtlich hatte sie ihre Sache sehr glaubwürdig gemacht.
«Bist du immer hier anzutreffen? », fragte er, während er ihr das übrige Geld gab.
«Meistens», erwiderte sie. «Warum? Brauchst du in zwei Wochen eine Verlängerung?»
«Schon möglich.»
Sie lächelte ihn an. «Kann ich sonst noch etwas für dich tun? Etwas, das normalerweise mein Job ist?»
«Nein.» Er schaute sie mit einem derart kalten Blick an, dass ihr fast das Blut in den Adern gefror. Was für ein merkwürdiger, unheimlicher Mann. Wofür er wohl den Krankenschein benötigte? Egal, das ging sie nichts an. Er hatte gut dafür bezahlt.
«Okay. Dann vielleicht demnächst.»
Nachdem sie ausgestiegen war, drehte Lennart die Lüftung auf Höchststufe. Er hasste diese aufdringlichen billigen Parfums, die in der Nase kitzelten und sich im Stoff festsetzten. Er öffnete
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