Gefangen im Terror (German Edition)
Ohne seinen Schutz war ich als Frau hoffnungslos den Anführern ausgeliefert. Sie würden mich für ihre Zwecke einsetzen.
Aber was sollte ich ganz allein in England anfangen? Ich wagte nicht, mir diese Möglichkeit weiter auszumalen. Ich stand auf und nahm Chamil in die Arme. Er würde heute Nacht gehen und ich musste warten und konnte nichts weiter tun. Die Zeit verging rasend schnell und um 22 Uhr verabschiedete sich Chamil, nicht ohne mir nochmals das Geldbündel und die Tickets zu zeigen. Er packte eine große Reisetasche mit Gewehrmunition voll und trug sie zu einem Fahrzeug, das unten auf ihn wartete. Dann holte er noch weitere Handfeuerwaffen, die er unter seinem Überwurf versteckte.
Für mich hatte er eine Pistole auf den Küchentisch gelegt. Dabei sagte er: „Die kannst du nicht mit ins Flugzeug nehmen, sonst gibt es Probleme. Sie ist nur für den Ernstfall gedacht.“ Er sah mich liebevoll dabei an. Ich wollte mir nicht vorstellen, was er mit „Ernstfall“ meinte. Chamil drückte mich an sich und küsste mich leidenschaftlich. Dann sagte er: „Fatma, wir sehen uns morgen. Inch’Allah.“ „Viel Glück“ sagte ich mit tränenerstickter Stimme. Die Tür fiel ins Schloss, ich war allein. Was sollte ich nur alleine anfangen. Die Tränen liefen mir über das Gesicht und mein Magen rebellierte wieder. Ich musste mich mehrmals übergeben. Mein ganzes Abendessen landete wieder im Waschbecken.
Ich legte mich auf die Matratze, die wir auf den Boden gelegt hatten. Das Schaukeln in dem Kasten war mir zu unangenehm gewesen. Chamil hatte mich zwar ausgelacht, aber er hatte mir den Gefallen getan. Obwohl ich müde war und mich elend fühlte, konnte ich kein Auge zu tun. Der Anschlag sollte um 11 Uhr am nächsten Morgen stattfinden, wenn die meisten Besucher in der Botschaft waren. Ab 8 Uhr lief ich in der Wohnung unruhig auf und ab, ich hatte in der Nacht kein Auge zu getan. Die Straße war belebt und im Haus hörte ich öfter das Schlagen von Türen. Mein Telefon blieb stumm. Chamil hatte mir eine Nummer aufgeschrieben, wo ich mir ein Taxi bestellen konnte, falls etwas schief ging.
Je näher der Termin rückte, desto nervöser wurde ich. Außerdem wusste ich nicht, welche Aufgabe er bei dem Anschlag hatte. Darüber hatte er nicht mit mir gesprochen. Ich nahm an, dass er als Scharfschütze eingesetzt wurde, denn er hatte mir einige Male stolz erzählt, wie gut er weit entfernte Ziele traf. Hoffentlich war er vorsichtig. Bei dem letzten Anschlag waren fast alle Kämpfer ums Leben gekommen. Aber Chamil hatte mir versichert, dass das keineswegs immer so war. Meistens waren die Aktionen gut vorbereitet und nur die starben, die Selbstmordkommandos ausführten.
Ich saß wie versteinert auf meiner Matratze und wartete. Ich horchte auf jedes Geräusch im Haus, auf jedes bremsende oder anfahrende Auto. Chamil hatte mir verboten, die Jalousien weiter zu öffnen und so konnte ich nicht direkt vor unser Haus sehen. Es war jetzt 12 Uhr und das Telefon blieb stumm. Ich schaltete den Fernseher ein. Radio Bagdad berichtete bereits von der Erstürmung der Botschaft. Es waren kurze und unscharfe Kameraschwenks. Aber ich sah Leichen vor der Botschaft und ein zerfetztes Fahrzeug vor dem Eingang stehen. Die Aufnahmen waren zu ungenau, um zu erkennen, ob es tote Terroristen oder Amerikaner waren. Ich saß wie gebannt vor dem Gerät und wagte kaum zu atmen. Der Reporter sagte, dass der Botschafter gekidnappt sei und es mehr als 20 Tote gegeben hätte. Zwei der Terroristen hätte man angeschossen und gefangen genommen. Dann folgten die Bilder der Gefangenen: Sie hatten ihm eine Augenbinde umgelegt. Doch ich erkannte ihn sofort. Es bestand kein Zweifel: Chamil war einer von ihnen. Ich schrie auf. Ich hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Chamil war in Gefangenschaft. Sein rechter Arm hing leblos herunter. Sie würden kurzen Prozess mit ihm machen. Wir waren in Bagdad. Ich fühlte, wie ich ohnmächtig wurde.
Als ich wieder zu mir kam, hatte ich einen seltsamen Geschmack im Mund. Es war Blut. Ich hatte mich beim Umfallen auf die Zunge gebissen. Ich stand noch immer unter Schock. Der Fernseher lief noch. Ich stand auf und schaltete das Gerät ab. Ich wollte die Bilder nicht noch einmal sehen.
In meinem Kopf arbeitete es fieberhaft. Sollte ich jetzt wirklich zum Flughafen fahren und in das nächste Flugzeug nach England einsteigen. In meinem Kopf herrschte Chaos. Chamil war zwar noch am Leben, aber ich konnte nichts für ihn
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