Gefangen im Terror (German Edition)
wie man hier vernünftig leben konnte. Daran änderte auch die westlich eingerichtete Wohnung nichts. Hoffentlich war Europa anders. Chamil hatte mir noch immer nicht gesagt, in welches Land wir fliehen würden. Ich hoffte, es würde Deutschland sein. Darüber hatte ich viel Gutes gehört.
Als ich zurückkam, erwartete mich Chamil schon ungeduldig. „Wo bist du denn den ganzen Tag gewesen?“, empfing er mich aufgebracht. „Ich habe in der Botschaft gewartet“, antwortete ich kopfschüttelnd. „Den ganzen Tag?“, fragte er ungläubig. Ich erklärte ihm, was ich gesehen hatte und wie das Gebäude innen aussah und dass ich morgen wieder hin musste. Chamil ließ sich beruhigen und sagte am Schluss meiner Ausführungen: „Gut, dann wirst du dich morgen nicht wieder in dieses Zimmer setzen, sondern nach oben gehen, und nachsehen, in welchem Raum der Botschafter sich aufhält. Uns läuft die Zeit davon!“
„Ich kann doch nicht einfach in diesem Haus herumlaufen, man wird mich verhaften und einsperren“, gab ich ihm zur Antwort. „Du stellst dich einfach dumm und sagst, dass du eine Toilette suchst.“ Das leuchtete mir ein. Man konnte mir nicht verbieten, eine Toilette zu suchen. Wir hatten nur noch zwei Tage Zeit, die Botschaft auszuspionieren, dann sollte der Einsatz stattfinden.
Nach dem Abendessen kämpfte ich wieder gegen Übelkeit an. Ich legte mich auf das Bett und versuchte zu schlafen. Zu Chamil sagte ich, dass ich Kopfschmerzen hatte. Mir war ein schrecklicher Verdacht gekommen. Diese dauernde Übelkeit konnte auch einen anderen Grund haben. Ich musste an die Sache mit Mustafa denken. Die Vergewaltigung hatte ich aus meinem Gedächtnis getilgt. Chamil konnte ich davon nichts erzählen. Er würde mir nicht glauben. Mustafa war ein Kollege und er stand rangmäßig über ihm.
Wenn ich tatsächlich schwanger war, dann konnte nur Chamil der Vater sein. Wir hatten gestern miteinander geschlafen und die Vergewaltigung war vor drei Wochen geschehen. Diese drei Wochen würde ich irgendwie vertuschen müssen. Aber vielleicht hatte meine Übelkeit auch nur mit meiner Nervosität zu tun. Ich musste abwarten.
Am nächsten Morgen ging ich wieder zur Botschaft. Der Tag verlief wie der erste. Mit einer Ausnahme. Es gelang mir herauszufinden, wo das Büro des Botschafters war. Es war im zweiten Stock. Seine Fenster gingen nach vorne auf die Straße. Es war ein riesiges Büro mit einer zweiflügeligen Türe und vor seinen Fenstern war ein Balkon. Ich war gleich am morgen hinter drei Männern in die obere Etage gelaufen und hatte mich suchend umgesehen. Niemand fragte mich. Dann ging die Türe des Botschafters auf und heraus kamen fünf Soldaten, die laut miteinander sprachen. Für einen Moment konnte ich den großen Schreibtisch sehen, an dem der Botschafter saß. Als mich die Soldaten sahen, sagte der eine: „Sie haben sich wohl verlaufen?“ Er packte mich etwas unsanft am Arm und ging mit mir in Richtung Treppe. Dort ließ er mich wieder los und sagte: „Da unten ist der Warteraum.“
Damit war meine Mission erfüllt. Es waren zwar auch heute wieder mehr Iraker als Amerikaner im Gebäude, aber ich wusste immerhin, wo der Botschafter sich aufhielt. Trotzdem wartete ich, bis ich meine Formulare erhielt. Der Beamte schaute meinen Pass genau an und fragte dann, wo in Amerika mein Mann sich aufhielt und welche wissenschaftlichen Arbeiten er schon veröffentlicht hätte. Auf diese Frage war ich nicht vorbereitet gewesen, aber mir fiel ein Artikel über die Klimakatastrophe ein, die ich gelesen hatte, als ich noch in Beslan war. Ich log munter drauf los und erklärte dem Beamten, dass mein Mann in Amerika aufgrund dieser Veröffentlichung eine Rundreise mit Vorträgen vor hatte und ich ihn begleiten sollte. Das war zwar nicht in meinen Unterlagen gestanden, aber die Idee gefiel mir so gut, dass ich sie überzeugend vortragen konnte. Der Beamte stellte keine weiteren Fragen mehr und händigte mir die Unterlagen aus. Als ich aus der Botschaft kam, zitterten meine Knie und ich bemühte mich, mir nichts anmerken zu lassen.
Während ich die Fragebogen zu unserer Wohnung trug, kam mir der Gedanke: Warum sollten wir nicht wirklich nach Amerika reisen, wenn ich schon die Papiere dafür ausfüllte? Ich hatte einen passenden Ausweis und wenn die Genehmigung erteilt würde, könnte ich ja ausreisen.
Als ich Chamil von meiner Idee erzählte, lachte er nur. „Erstens musst du dann allein ausreisen, Fatma und zweitens sind wir
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