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Gefangen im Zwielicht

Gefangen im Zwielicht

Titel: Gefangen im Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Rank
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kritzelte etwas auf einen Block. Er zuckte ständig mit dem Bein, so dass der große Tisch und sein Laptop, das er gerade aufklappte, vibrierten. Ich sah zu Vater hinüber, er nickte kaum merklich. Er verstand mich auch ohne Worte. Wir waren ein eingespieltes Team – beruflich und auch privat.
    „Geben Sie uns bis morgen Bedenkzeit“, sagte er.
    Zenker schüttelte energisch den Kopf, das Zucken seines Beines wurde stärker.
    „Sie werden sich gleich entscheiden müssen. Ich treffe heute noch zwei weitere Interessenten.“
    Eine glatte Lüge. Aber da war mehr als nur der verzweifelte Wunsch, möglichst schnell Geld zu verdienen, oder die mangelnde Liquidität, an die er die ganze Zeit gedacht hatte. So laut, dass ich es nicht einmal hätte überhören können, wenn ich es gewollt hätte. Irgendetwas stimmte nicht mit dem Haus. Etwas, das über bloße Gebrauchspuren hinausging.
    Bei der Besichtigung war ich nicht dabei gewesen, doch das war auch gar nicht nötig.
    Ich drang in seinen Geist ein und brauchte nicht lange, um alles direkt vor mir zu sehen. Nur mit großer Mühe konnte ich meinen Zorn zurückhalten.
    „Ich würde gerne die oberen Stockwerke noch einmal sehen“, sagte ich und wunderte mich über die Ruhe in meiner Stimme. Zenkers Gesichtszüge entgleisten. Er trommelte mit den Fingerspitzen auf das Glas des Konferenztisches, seine Augen verengten sich zu Schlitzen.
    „Ich glaube nicht, dass dies nötig ist. Meine Mitarbeiterin hat Ihrem Vater bereits alles gezeigt.“ Er bemühte sich wirklich um einen angemessenen Ton, aber ich hörte, was er über das arme Mädchen dachte, das keinen blassen Schimmer davon hatte, was für ein Verbrecher ihr Chef war.
    „Das sehe ich anders“, entgegnete ich und lächelte so strahlend, wie Zenker zu Beginn unseres Gespräches.
    „Und wenn wir schon dabei sind – die rostigen Wasserleitungen im Keller möchte ich auch sehen. Die brechen vermutlich auseinander, falls eine der Ratten da unten einen Furz lässt.“
    Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Vaters Schultern vor Lachen bebten. Zenker schnappte nach Luft, und seine Augen verdunkelten sich, als würden Gewitterwolken darin aufziehen. In der Tat konnte ich den Sturm schon spüren, als Zenker ihn noch gar nicht realisiert hatte. Ich unterdrückte ein Grinsen. Armer Idiot. Er hatte sich einfach die Falschen ausgesucht. Aber wie sollte er auch ahnen, dass ich all die Dinge sah, die in seinem Kopf vorgingen.
    Zenker zerrte an seiner Krawatte, als wäre sie eine Schlinge um seinen Hals. „Ich versichere Ihnen, das sind alles Kleinigkeiten, die werden selbstverständlich noch instand gesetzt“, brachte er gepresst hervor. „Wie kommen Sie überhaupt auf …“
    „Etwa wie der Dachboden?“, unterbrach ich ihn. „Mein Vater berichtete mir, dass alles noch etwas frisch aussieht. Als wäre es … sagen wir … vorgestern mal eben mit Sandfarbe gestrichen worden?“
    Zenker quollen die Augen aus den Höhlen, er erinnerte mich plötzlich an einen Karpfen, so wie er seinen Mund auf und zu klappte.
    „Jetzt reicht es aber! Glauben Sie, ich habe meine Zeit gestohlen?“ Er sprang vom Stuhl und stapelte seine Unterlagen. „Das hab ich bestimmt nicht nötig.“
    Oha, der Karpfen wurde wieder zum Hai. Vater hob den Kopf und blickte Zenker ruhig an. Nur das Zucken in seinen Augenwinkeln verriet mir, dass er kaum noch an sich halten konnte.
    „Beruhigen Sie sich doch, Herr Zenker. Mein Sohn hat Sie doch nur um eine klare Auskunft gebeten. Kein Grund, laut zu werden.“
    „Von wegen um etwas gebeten!“ Zenker fuchtelte mit dem Zeigefinger vor seinem Gesicht umher und warf mir einen wütenden Blick zu. „Das sind absurde Anschuldigungen! Mit solchen Leuten muss ich keine Geschäfte machen!“
    Wieder eine glatte Lüge, aber die hätte jeder durchschaut, ganz ohne Gedankenlesen. Ich stand auf und sah auf ihn hinunter. „Auf Geschäfte mit Ihnen können wir verzichten“, sagte ich unwirsch. „Sehen Sie lieber zu, dass Sie Ihren Arsch hier raus bewegen, bevor ich mich vergesse und Ihnen Ihr Laptop hineinschiebe!“
    „Leon.“ Vater erhob sich und warf mir einen warnenden Blick zu.
    „Ist doch wahr.“
    Zenker entgegnete nichts mehr. Er klappte das Laptop zu und stopfte seine Unterlagen in seinen Aktenkoffer. Mit beiden Sachen unter den Arm geklemmt verließ er ohne Gruß Vaters Büro und schlug eilig die Tür hinter sich zu.
    „Dem ist der Arsch aber gewaltig auf Grundeis gegangen.“ Ich lockerte meine Krawatte.

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