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Gefangen im Zwielicht

Gefangen im Zwielicht

Titel: Gefangen im Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Rank
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nach hinten gezogen. Ich sah mich um, doch außer Bäumen, Wiesen und einer leeren Straße war da nichts.
    „Das passiert jedes Mal“, erklärte Alexei. Ein hoffnungsloser Ausdruck stand in seinem schönen Gesicht geschrieben. Ich rief mir in Erinnerung, dass es nur ein Traum war, eine Vision und war fest entschlossen, Alexei zu helfen. Beherzt riss ich mich von ihm los und rannte auf den Jungen zu.
    „Leon! Nein!“
    Tatsächlich war es mir nun möglich, mich ihm zu nähern. Als ich ihn jedoch erkannte, machte mein Herz einen Satz und ich blieb abrupt stehen. Ich wusste sofort, wer er war.
    „Albert!“ Obwohl ich es tief in meinem Innersten vielleicht irgendwo geahnt hatte, blieb mir der Name meines Großvaters beinahe im Halse stecken. Mir fehlten die Worte. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, als Albert das Wort ergriff und einen Schritt auf mich zuging.
    „Bring ihn nach Hause, Leon. Nur du kannst ihn nach Hause bringen.“
    Ich wandte mich um. In Alexeis Augen stand Fassungslosigkeit, aber auch Furcht.
    „Uns bleibt nicht viel Zeit.“ Albert klang aufgeregt. „Du musst ihn nach Hause bringen.“
    „Aber wie soll ich das machen? Ich verstehe nicht!“
    Albert antwortete nicht, sondern zeigte stattdessen mit panischem Ausdruck in Alexeis Richtung.
    „Es geschieht wieder. Er nimmt ihn mir weg.“
    In schrecklicher Vorahnung wirbelte ich herum. Hinter Alexei bildete sich ein unheimlicher, schwarzer Nebel, der sich mit enormer Geschwindigkeit verdichtete.
    „Alexei!“
    Meine Stimme war ein panisches Krächzen, meine Hand zerrte an Alberts. Alexei schien meinen Blick bemerkt zu haben, denn er drehte sich um und wollte zurückweichen. Doch der dichte Nebel schien wie ein Magnet zu wirken, der ihn anzog. Ich wollte zu ihm, doch Albert stemmte die Beine in den Boden.
    „Ich kann nicht mit dir kommen, Leon. Du musst ihn zu mir bringen, verstehst du? Du musst ihn zu mir bringen!“
    Alberts Körper löste sich auf, schimmerte bald nur noch silbern und war schließlich durchsichtig wie Wasser. Seine Hand löste sich aus meiner und plötzlich war er verschwunden. Ich starrte ins Leere, dann wandte ich mich um und begann zu rennen. Grauen erfasste mich, als sich der Nebel hinter Alexei plötzlich in der Mitte teilte und eine riesige Klaue daraus hervorschoss. Die letzten Sätze stolperte ich mehr, als dass ich lief. Als ich Alexei endlich erreicht hatte, bekam ich ihn am Arm zu fassen und versuchte, ihn mit all meiner Kraft wegzuziehen.
    „Wir müssen aufwachen, Leon! Wir müssen aufwachen!“, rief er aufgebracht.
    Ein Strudel erfasste uns, der Boden unter unseren Füßen verschwand und wir wurden durch die Luft gewirbelt. Ein zorniges, übermächtiges Brüllen hallte in meinem Kopf wider, dass mich erschaudern ließ. Ich zuckte zusammen, klammerte mich noch fester an Alexei. Ein greller Blitz durchzuckte die Finsternis, dann fuhr ich im Bett hoch.
     
    „Er ist es, nicht wahr?“, fragte Alexei leise.
    Ich brauchte einen Moment, um zu mir zu kommen. Schließlich nickte ich. Eine Welle der Emotionen ließ mich erschaudern, ich lehnte mich an Alexei. Er strich beruhigend über meinen Rücken.
    „Alexei, ich bin so durcheinander. Das alles ist Wahnsinn.“ Ich blickte ihn an. „Und du hast es gewusst, nicht wahr?“
    „Erst war ich mir nicht sicher. Aber meine Träume, das Bild auf deinem Kamin, die Geschichte, die du mir erzählt hast und der Ring. Alles fügt sich zusammen wie ein Puzzle, während mein Dasein auseinanderfällt, wie ein Kartenhaus.“
    „Weißt du denn gar nicht, was damals geschehen ist? Kannst du dich absolut nicht an deine Mutter erinnern, oder wie sie gestorben ist?“
    „Nein. Es ist, als hätte man mir die Erinnerung …“
    Er verstummte mitten im Satz, sein Mund blieb offen stehen. Es war nur ein Blick, den wir austauschten, unsere Gedanken waren dieselben.
    „Bring mich zu ihm“, sagte er plötzlich.
    „Was?“
    „Ich möchte, dass du mich zu deinem Großvater bringst. Sobald heute Abend die Sonne untergegangen ist.“
    Ich schüttelte energisch den Kopf. „Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Du kannst ihn nicht einfach damit konfrontieren. Er wird sich furchtbar aufregen, er ist ein alter Mann. Es könnte ihn umbringen.“
    „Ich will ihn nur sehen. Ich werde keinen Ton sagen, ich verspreche es.“
    „Aber was ist mit Tom?“ Ich deutete mit einem Kopfnicken auf die Wohnzimmertür.
    „Er wird nicht so schnell aufwachen, das versichere ich

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