Gefangen im Zwielicht
sagte ich nach einer Weile. „Wie kann es sein? Ich kann immer noch nicht glauben, dass ihr real seid, das ist so verrückt.“
Alexei nahm meine Hände in die seinen und blickte mir tief in die Augen.
„Vampire sind keine Legende oder ein Mythos. Die Sterblichen haben Angst vor den Dingen, die sie nicht begreifen können und stempeln uns als Hirngespinste und Märchen ab. Wir haben uns im Laufe der Jahrhunderte den Menschen immer mehr angepasst und leben unbemerkt mitten unter ihnen. Dennoch ist unser Lebensstil und unsere Denkweise komplett anders. Die meisten von uns stellen sich selbst über den Menschen und betrachten ihn hauptsächlich als Nahrung und Zeitvertreib.
Wir können durchaus normales Essen zu uns nehmen, zum Überleben brauchen wir jedoch beinahe täglich frisches Blut, sonst beginnen wir zu altern und zu sterben.“
Ich blickte ihn forschend und unsicher an, auch wenn mir die Tatsache mit dem Blut natürlich bewusst war. Alexei strich zärtlich über meine Wange.
„Hab keine Angst vor mir. Ich könnte dir niemals etwas antun. Ich liebe dich. Natürlich kann ich nicht leugnen, dass auch ich nicht ohne Blut überleben kann. Aber ich schwöre dir Leon, ich habe noch nie einen Menschen getötet, wenn ich mich seines Blutes bedient habe.“
„Ich weiß“, flüsterte ich, schmiegte mich an ihn und ließ seine langen, blonden Strähnen durch meine Finger gleiten.
„Wie alt bist du genau, Alexei?“
„Ich habe im Winter 1891 das Licht der Welt erblickt.“
„Wow.“ Ich war beeindruckt. „Dafür siehst du aber ziemlich gut aus“, antwortete ich mit einem schwachen Grinsen. Alexei lachte leise und küsste meine Nasenspitze.
„Auch wir Vampire verändern im Laufe der Zeit unser Aussehen, doch altern wir nicht in dem Sinne, wie die Sterblichen es tun. Wir können es selbst beeinflussen.“
„Erzähl mir mehr, Alexei.“
„Unsere Sinneswahrnehmung ist um ein Vielfaches schärfer, als die der Menschen. Wir sind körperlich außergewöhnlich stark und unsere Wunden heilen sehr schnell. Getötet werden können wir lediglich durch Holz, Silber, Feuer und das Abtrennen des Kopfes. Kreuze, Knoblauch und Weihwasser hingegen können uns nichts anhaben, das ist völliger Unsinn. Das Sonnenlicht kann uns töten, wenn wir ihm zu lange ausgesetzt sind. In jedem Fall verursacht es starke Verbrennungen und kann uns blind machen. Es schwächt uns enorm. Wenn ein Mensch je herausfindet, wer wir sind und sein Gedächtnis – aus welchem Grund auch immer – nicht gelöscht wurde, sind wir verpflichtet, ihn zu töten. Vampire sind im Stande, das Gedächtnis der Menschen zu manipulieren und ihre Gedanken zu beeinflussen.“
Ich hatte ihm angespannt zugehört. Nun schlang ich die Arme um seinen Hals und sah ihn lange und eindringlich an. Ein Leben ohne ihn war für mich mittlerweile völlig unvorstellbar.
„Für dich würde ich meine Sterblichkeit aufgeben, Alexei. Wenn du mich wirklich liebst, dann lass mich für immer bei dir sein.“
Ich erzählte ihm nicht, dass Razvan mich bereits einmal gebissen hatte. Schreckliche Angst keimte in mir auf, dass er mich deswegen vielleicht nicht mehr wollen würde. Meine Liebe zu Alexei war mittlerweile so stark, dass ich mir ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen konnte. Ich drängte mich an ihn, legte den Kopf in den Nacken und bot ihm meine Kehle dar.
Alexei wich entsetzt zurück. „Mach das nicht, bitte.“ Sein Versuch, den Blick abzuwenden scheiterte kläglich und er begann, hektischer zu atmen.
„Tu es. Trink Alexei, und wir können für immer zusammen sein!“
„Ich müsste zweimal von dir trinken, Leon.“ Alexeis Stimme war brüchig, er leckte sich über die Lippen.
„Ich weiß“, antwortete ich entschlossen.
Ich bemerkte die weißen Fangzähne, die nun zwischen seinen halb geöffneten Lippen hervorblitzen und mich faszinierten und zugleich erschaudern ließen. Tiefes Schwarz löste das Grün seiner Augen ab und ein leises Fauchen bestätigte seine Verwandlung. Trotz, oder vielleicht gerade wegen der bedrohlichen Situation wirkte er erotischer denn je, ich spürte keine Angst. Nur Begehren. Seine Anziehungskraft war enorm und erregte mich.
Ich griff in seinen Nacken und zog seinen Kopf an meine Halsbeuge.
„Es ist in Ordnung, Alexei. Glaub mir, ich will es.“ Ich war bereit. Bereit mit ihm zu gehen, in die ewige Nacht. Er zitterte, seine Lippen legten sich an meine Haut, ich spürte den Druck seiner Fänge. Seine Finger schoben sich in
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