Gefangen in der Wildnis
unsicher um. „Sie entfernen sich doch nicht zu weit, oder?"
„Nein." Er hängte sich das Gewehr über die Schulter und fühlte in seiner Jackentasche, ob er genügend Munition bei sich hatte. „Ich werde zurück sein, um neues Holz aufs Feuer zu legen. Halten Sie Messer und Flinte in Ihrer Reichweite. Ich habe zwar noch keine Bärenspuren gesehen, aber man kann nie wissen."
Damit drehte er sich um und verschwand zwischen den mächtigen Stämmen. Rusty blieb auf ihren Krücken gestützt zurück, ihr Herz hämmerte zum Zerspringen.
Bären?
Nach einem Moment schüttelte sie die lähmende Angst ab. „Das ist doch lächerlich", murmelte sie vor sich hin. „Nichts und niemand wird mich kriegen."
Sie wünschte, sie hätte ein Radio, einen Fernseher, irgendetwas, um die drückende Stille zu durchbrechen. Alles, was zu hören war, war das Knacken eines Zweiges ab und an, das Rascheln von Laub, wenn ein Tier auf seiner täglichen Nahrungssuche vorbeihuschte. Aber da diese Tiere unsichtbar blieben, waren sie umso unheimlicher. Und Coopers Bemerkung über Bären ging ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf.
„Das hat er bestimmt absichtlich gesagt, nur um mir Angst einzujagen", sagte sie laut und machte sich mit Eifer daran, die Lederjacke aufzuschneiden. Das Messer, das er ihr dagelassen hatte, war kleiner als jenes, das er ständig an seinem Gürtel bei sich trug.
Ihr Magen knurrte laut. Sie stellte sich frische, noch warme Butterhörnchen vor, getoastete Bagels mit Frischkäse, Krapfen mit Zuckerguss, Pfannkuchen, Eier mit Speck ... Das machte sie nur noch hungriger, und alles, was sie hatte, um ihren Magen zu füllen, war Wasser.
Als direkte Folge ihres übermäßigen Trinkens ergab sich allerdings bald ein anderes Problem. Sie zögerte es hinaus, solange sie konnte, aber irgendwann blieb ihr keine andere Wahl. Sie legte ihre Arbeit beiseite. Ohne jegliche Anmut rappelte sie sich mit Hilfe der Krücken auf und humpelte in die entgegengesetzte Richtung, die Cooper eingeschlagen hatte.
Während sie mit den Krücken und ihrer Hose kämpfte, wobei sie gleichzeitig den Boden nach möglichem
Kriechgetier absuchte, fragte sie sich, ob das wirklich Rusty Carlson war, die Immobilienprinzessin von Beverly Hills, die sich hier im Wald ein Fleckchen suchte, um sich zu erleichtern.
Ihre Freunde hätten es ihr nie zugetraut, so weit zu kommen, ohne in tiefsten Wahnsinn zu versinken. Ihr Vater würde es sowieso nicht glauben. Aber sie würde überleben, und dann konnte sie ihre Geschichte erzählen. Und er würde unendlich stolz auf sie sein.
Sie zog sich gerade wieder die Hose hoch, als sie ein Geräusch in ihrer Nähe vernahm. Abrupt drehte sie den Kopf in die Richtung, lauschte. Nichts.
„Sicher nur der Wind." Ihre Stimme klang übertrieben laut und fröhlich. „Oder ein Vogel. Oder Cooper auf dem Rückweg. Wenn er das für einen lustigen Streich hält, werde ich ihm nie verzeihen."
Sie ignorierte das nächste Rascheln, diesmal lauter, und humpelte, so schnell sie konnte, zurück zum Camp. Fest entschlossen, nie etwas so Feiges wie Schreien zu tun, biss sie sich auf die Lippen und stolperte über den unebenen Waldboden.
Doch ihr Mut verließ sie, als eine Gestalt zwischen zwei Bäumen hervortrat und sich ihr genau in den Weg stellte. Ihr Kopf ruckte hoch, sie sah in ein Paar lauernde Augen, die ihr aus einem bärtigen Gesicht entgegenfunkelten.
Sie stieß einen gellenden Schrei aus.
Cooper wollte so schnell wie möglich zurück, hatte jedoch beschlossen, die beiden Kaninchen vorher zu säubern. Er sagte sich, dass es kein Beweis von Stärke war, wenn er die Tiere vor ihren Augen ausnahm.
Doch tief in seinem Innern gestand er sich ein, dass es eigentlich genau das war, was er wollte. Er wollte, dass sie sich krümmte und wand, dass sie hysterisch werden würde und endlich weibliche Schwäche zeigte.
Denn bis jetzt hatte sie nichts dergleichen getan. Im Gegenteil, sie hatte sich verdammt gut gehalten. Viel besser, als er erwartet hatte.
Er schleuderte die Innereien fort und begann das Fell abzuschaben. Das könnte sich noch als nützlich erweisen. Kaninchenfell war warm, und er konnte es benutzen, um Rusty ...
Rusty. Immer wieder Rusty. Konnte er denn an gar nichts anderes mehr denken? Drehte sich alles nur um sie? Wann waren sie denn ein unzertrennliches Paar geworden, so wie Adam und Eva? Konnte er nicht den einen erwähnen, ohne den anderen im gleichen Atemzug zu nennen?
Er erinnerte sich an den ersten
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