Gefangen in der Wildnis
Gedanken, der ihm gekommen war, als er aus der Bewusstlosigkeit erwachte, ihr Gesicht über sich, verführerisch umrahmt von dieser Mähne rotbrauner Locken. Die obszönsten Flüche waren ihm eingefallen, die je ein Seemann gehört hatte, und er war knapp davor gewesen, sie auch auszustoßen.
Natürlich war er froh gewesen, überlebt zu haben, aber dann hatte er nur daran gedacht, dass der Tod eine angenehmere Alternative gewesen wäre, statt diese Rothaarige, eingehüllt in exquisites Parfüm und teuren Pelz, am Hals zu haben. In der Wildnis hätte sie die gleiche
Chance wie ein Marshmellow über dem Lagerfeuer. Er hatte auch mit dem Gedanken gespielt, dass es nötig werden könnte, sie umzubringen, um sie beide aus ihrem Elend zu erlösen.
Ein äußerst beunruhigender und unappetitlicher Gedanke, aber er hatte andere, schlimmere Dinge in Vietnam tun müssen, um zu überleben.
Es galt nur das Gesetz des Dschungels. Regel Nummer eins: Entweder töten oder getötet werden. Uberleben war das Wichtigste, egal, um welchen Preis. Das Überlebenstraining in der Spezialeinheit der Armee erstickte bewusst jede Anwandlung von Gewissen. Man tat, was nötig war, um einen weiteren Tag zu überleben, eine Stunde, eine Minute länger. Er hatte diese Doktrin verinnerlicht und war ihr mehr als einmal bedingungslos gefolgt. Öfter, als er sich erinnern wollte, zu oft, um es vergessen zu können.
Aber diese Frau hatte ihn überrascht. Ihre Verletzung musste ihr höllische Schmerzen bereitet haben, aber sie hatte sich nicht einmal beschwert. Sie hatte auch nicht über Durst oder Hunger geklagt. Der Himmel wusste, wie durstig und hungrig sie gewesen sein musste. Ein kleiner harter Brocken, und bis jetzt war sie noch nicht zusammengebrochen. Und wenn ihre Lage sich nicht extrem verschlechtern würde, zweifelte er auch daran, dass es dazu kommen würde.
Eine Auffassung, die ihn wiederum vor eine ganze Reihe neuer Probleme stellte. Nur wenigen Menschen war es gelungen, seinen Respekt zu erlangen. Er wollte Rusty Carlson nicht bewundern, aber er tat es.
Noch etwas wurde immer klarer: Er war mitten im Niemandsland gestrandet, zusammen mit einem äußerst verführerischen Exemplar des weiblichen Geschlechts, und es war denkbar, dass sie sehr lange Zeit miteinander verbringen mussten. Nur zu zweit.
Die Dämonen, die sein Schicksal leiteten, hielten sich diesmal wahrscheinlich den Bauch vor Lachen. Sie hatten ihn früher schon oft zum Narren gehalten, aber das hier war der Gipfel. Das war die ultimative Pointe des Witzes, den er sein Leben nannte. Im Allgemeinen und im Besonderen verachtete er Frauen wie Rusty Carlson. Er hatte keine Verwendung für reiche, verwöhnte, oberflächliche Oberschichttussis, die schon mit dem silbernen Löffel im Mund geboren worden waren. Sie interessierten sich für nichts, was außerhalb ihres goldenen Käfigs vor sich ging. Musste ausgerechnet ihm eine solche Frau vor die Füße fallen und ihm auch noch Respekt abverlangen?
Das schien den Dämonen allerdings noch nicht zu reichen. Es hätte ja auch eine von den Tussis sein können, die in einer Schönheitskonkurrenz bestenfalls gegen ein Warzenschwein antreten könnten, mit einer Stimme, die Glas zum Bersten brachte.
Aber nein, die böswilligen Götter hatten ihm eine Traumfrau vor die Nase gesetzt. Der Teufel musste sie erschaffen haben. Die Fleisch gewordene Versuchung. Mit glänzendem Haar, in das ein Mann seine Finger vergraben wollte, und Brüsten wie Paradiesäpfel. Mit einer Stimme, die Butter zum Schmelzen brachte. An dieses Bild musste er denken, wann immer sie den Mund aufmachte.
Ein makabrer Witz, ein unbarmherziger Streich. Denn er würde sie nicht anfassen. Niemals. Diesen Weg war er schon einmal gegangen. Frauen wie sie folgten der Mode. Nicht nur, was Kleidung anbetraf, sondern in allem. Als Melody ihm begegnet war, war es gerade Mode gewesen, einen verdienten Veteranen zu lieben. Das hatte sie getan, bis es nicht mehr „in" gewesen war.
Kratzte man die seidene Oberfläche von Rusty Carlson ab, kam darunter eine weitere Melody zum Vorschein. Rusty passte sich ihm nur an, weil sie ihn zum Überleben brauchte. Sie sah wirklich zum Anbeißen aus, aber unter der süßen Schale war sie mit Sicherheit ebenso wurmstichig und verfault, wie Melody es gewesen war.
Er warf sich die Kaninchenfelle über die Schultern und wickelte die zerteilten Fleischstücke in ein Tuch, dann machte er sich auf den Rückweg zum Camp. Von ihr würde er sich
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