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Gefangen in Deutschland

Gefangen in Deutschland

Titel: Gefangen in Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Schneidt
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auch einen neuen Partner gefunden hatte, wurde ich erneut mit meiner Vergangenheit konfrontiert. Meine ehemalige Freundin und Leidensgefährtin Petra nahm Kontakt zu mir auf und bat mich um Hilfe. Ihre Ehe mit Kerim hatte sich zu einem einzigen Fiasko entwickelt und auch sie hatte diese Liebe schon mehrmals fast mit dem Tod bezahlen müssen. Kerim war noch brutaler vorgegangen als Mahmud seinerzeit: So hatte er Petra einmal sogar mit einem Verlängerungskabel im Schlafzimmer aufgehängt! Nur den aufmerksamen Nachbarskindern war es zu verdanken, dass Petra gerettet werden konnte. Für mich stand außer Frage, dass ich Petra zur Flucht verhelfen würde, wenngleich mir von Anfang an bewusst war, dass ich mich dadurch erneut großer Gefahr aussetzen würde.
    Den Kontakt zu Mahmuds Familie musste ich hingegen fast gänzlich abbrechen. Es wäre einfach zu gefährlich gewesen, weiterhin mit einzelnen Mitgliedern der Familie in Verbindung zu bleiben. Allein zu einem Bruder von Mahmud stehe ich bis heute in Kontakt. Alper genießt mein hundertprozentiges Vertrauen und hat sich diesem auch immer als würdig erwiesen. Er verurteilt ebenfalls, was den Frauen seiner Familie aus veralteten Traditionen heraus angetan wird. Dass man sich auch als Einzelner gegen seinen Clan behaupten kann, hat er schon mehrfach bewiesen: So muss Alpers Frau als Einzige innerhalb der Verwandtschaft kein Kopftuch tragen, durfte den Führerschein machen und genießt auch sonst viele Freiheiten. Erstaunlich ist allerdings, dass genau diese Frau ihre Tochter besonders streng erzogen hat und auf der Einhaltung der traditionellen Regeln nachdrücklicher besteht als ihr Mann.
    Von Alper weiß ich auch, dass nach meiner Flucht viel Bewegung in die Familie gekommen ist. Aysegül hat den Anfang gemacht. Sie ist nur kurze Zeit nach mir geflohen und hat den Verlust ihrer ganzen Familie in Kauf genommen. Bis heute weiß niemand, wo sie untergetaucht ist, da sich ihre Spur in einem der zahlreichen Frauenhäuser verloren hat, die von den muslimischen Gewaltopfern oft in der Not aufgesucht werden. Von Zeit zu Zeit ruft Aysegül bei ihrer jüngeren Schwester an, um ihr mitzuteilen, dass es ihr gut gehe. Ihren Aufenthaltsort gibt sie jedoch nie preis, zu groß ist ihre Angst, Handan könnte mittels Gewalt zum Sprechen gebracht werden. Ich bedaure nach wie vor sehr, dass ich nicht mehr die Möglichkeit hatte, mich mit Aysegül auszusprechen. Obwohl unser Verhältnis mit einem unschönen Diebstahl und der darauffolgenden körperlichen Auseinandersetzung geendet hat, werde ich nie vergessen, dass Aysegül in dieser unglücklichen Zeit oft mein einziger Lichtblick war. Wie gern würde ich sie in den Arm nehmen und ihr sagen, dass ich ihr den Diebstahl längst verziehen habe! Einmal mehr, weil er ja schließlich auch ein Stück weit dazu beigetragen hatte, dass ich den Weg zurück in die Freiheit finden konnte.
    Von meiner und Aysegüls Flucht offenbar inspiriert, haben noch zwei weitere Frauen aus Mahmuds Verwandtschaft jenen existenziellen Schritt getan. Wo sie sich aufhalten, ist ebenfalls nicht bekannt – man kann nur hoffen, dass es ihnen heute gut geht. Das ist wohl der Preis, den eine Muslima bezahlen muss, wenn sie aus ihrem archaischen Umfeld ausbrechen will: den Verlust der Familie. Dies dürfte auch der Hauptgrund sein, warum es viele dieser Frauen niemals schaffen werden, ihren gewalttätigen Vätern oder Ehemännern zu entkommen. Allein in einem fremden Land, dessen Sprache man gar nicht oder nur schlecht beherrscht, ohne Rückhalt der Familie, weitab von Freunden und Bekannten, in einer unbekannten Stadt – diese Aussicht erscheint den misshandelten Frauen oft noch schlimmer als ihre momentane Situation. Selbst ich denke bis zum heutigen Tag oft an Mahmuds Familie, die ja für ein paar Jahre auch die meine war, und in den ersten Monaten nach meiner Flucht verspürte ich gelegentlich eine solche Sehnsucht nach der Wärme und Herzlichkeit ihrer einzelnen Mitglieder, dass ich mir immer wieder die Frage stellte, ob es nicht doch irgendeine Möglichkeit geben könnte, mir diese Beziehungen zu erhalten.
    Heute erscheint mir jene schreckliche Zeit in meinem Leben manchmal wie ein böser Traum. Wenn ich dann aber mit Petra telefoniere oder sie für ein paar Stunden treffe und wir über unsere gemeinsame Vergangenheit sprechen, dann weiß ich, dass alles wahrhaft geschehen ist und manches sogar noch viel grausamer war, als ich es in Erinnerung hatte. Dabei hat

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