Gefangene deiner Dunkelheit
Manolitos Finger so verführerisch über ihren Schenkel wanderten.
Er beugte sich über ihre Wade und legte eine Hand um ihren Knöchel, um ihn stillzuhalten. Ihr stockte der Atem, als sie sein glänzendes Haar wie einen Wasserfall um seine Schultern fallen sah. Sie konnte sein Profil, seine langen Wimpern und die Konturen seiner Lippen sehen. Er war zu schön, um wahr zu sein. Unwillkürlich glitt ihre Hand zu ihrem eigenen Haar, das sich halb aus seinem Zopf gelöst hatte und in wirren Strähnen ihr Gesicht um rahmte. Bei der Bewegung fiel ihr Blick auf den Blutfleck auf ihrer Seidenbluse.
Bestürzt blickte sie auf ihre einst so elegante schwarze Hose. Eine Seite war zerrissen, der hübsche Aufschlag vollkommen zerfetzt. Ihr Bein darunter wies so tiefe Kratzspuren auf, dass die Muskeln aus den Rissen drangen. Jäher Schmerz packte sie, und für einen Moment lang glaubte sie, sich übergeben zu müssen.
»Manolito«, keuchte sie entsetzt, als der Schmerz so unerträglich wurde, dass ihr die Tränen kamen. »Es tut weh.«
»Ich weiß, sivamet, aber ich kann ihn dir abnehmen.« Interessant war, dass sie im selben Moment, als sie sich der Verwundung bewusst geworden war, auch wieder von der vollen Wucht des Schmerzes überfallen worden war. Dass er nicht mehr in irgendeinem fernen Winkel ihres Gehirns vergraben, sondern wieder Teil ihres bewussten Ichs geworden war.
Manolito nahm ihren Schmerz auf sich und begann mit der Aufgabe, ihre Wunden von innen heraus zu heilen. Als die Verletzungen geschlossen und gereinigt waren, kehrte er zurück in seinen eigenen Körper und bückte sich, um ihr Bein zu untersuchen. MaryAnn schloss die Augen, als seine Zunge wie rauer Samt über ihre Wunde strich.
Sie wusste, dass sein Speichel ein heilendes Element enthielt und sie das Ganze eigentlich ein bisschen eklig finden müsste, aber so war es keineswegs. Es war sogar ein überaus erregendes Gefühl, das ein Flattern tief in ihrem Innern auslöste und sie mit einer prickelnden Hitze erfüllte. Weiter oben, an der Innenseite ihrer Schenkel, tat er irgendetwas mit seinen Fingerspitzen, das ihr den Verstand zu rauben drohte, doch bevor es so weit kommen konnte, hob er den Kopf und sah sie aus halb geschlossenen Augen an, die verschleiert waren vor Verlangen und Leidenschaft.
»Wir müssen uns um Luiz kümmern«, erklärte er mit vor Emotion ganz heiserer Stimme.
MaryAnn nickte. »Sag mir, wie ich dir helfen kann.«
Karpatianische Männer teilten ihre Frauen mit niemandem, und Manolito war eifersüchtiger als die meisten, doch Luiz tat ihm leid, als er sich über ihn beugte und seine Beklommenheit spürte.
Versuch, ihn festzuhalten, MaryAnn, um seine Verwandlung einfacher zu machen. Ich fürchte, dass das Raubtier in ihm stark ist und ihn nicht so einfach freigibt. Es war nicht leicht, sie darum zu bitten, doch er verschmolz bereits mit dem Jaguarmann, und der Geschmack von Angst war bitter für einen Mann, der so viele Kämpfe ausgefochten und solche Anstrengungen für seine Leute unternommen hatte. Manolito wollte nicht, dass Luiz ängstlich und verstört von einem Leben in das andere überwechselte. Manolito ließ sich ganz und gar mit Luiz verschmelzen, um ihn zu beruhigen, doch das Raubtier in ihm spürte, was geschehen würde, und begann zu toben.
Du wirst trotzdem weiter existieren, versuchte MaryAnn den Jaguar zu trösten. Wie könntest du auch nicht? Du bist so viele Jahre ein Teil von Luiz gewesen. Ihr seid ein und derselbe. Was Manolito tut, wird euch beiden ermöglichen zu leben. Er hat beschlossen, dich zu retten, damit du eure Leute retten kannst. MaryAnn streichelte dem Mann das Haar, beruhigend und zärtlich.
Sie berührt einen anderen Mann.
Denselben, der vorher schon mit ihr zusammen gewesen war.
Die Stimmen waren abscheuliche Dämonen, die Manolitos Vertrauen in sie unterminieren sollten. Deshalb hielt er es für klüger, einen Blick auf ihre Hand zu werfen, um ihre Absicht zu erkennen – ihr anstatt der Stimmen zu vertrauen. Ihre Finger waren geradezu hypnotisch, und Manolito spürte sie in seinem eigenen Haar – an seinem eigenen Kopf. Durch MaryAnn waren sie alle drei fest miteinander verschmolzen, doch er war sicher, dass sie keine Ahnung hatte, was sie tat.
Er begann allmählich zu verstehen, wie sie vorging. Ihre Fähigkeiten waren anders als alle, denen er je begegnet war. Sie bündelte Energie und benutzte sie so selbstverständlich, wie sie atmete. MaryAnn versuchte, jeden zu erreichen, der
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