Gefangene deiner Dunkelheit
durchschauen. Auch Solange wollte nicht auf die Ranch ziehen. Ihr Misstrauen Männern gegenüber war zu groß, und der Hauptwohnsitz der De La Cruz' war eine funktionierende Ranch mit Unmengen von Arbeitern. Aber dort würden sich beide Frauen unter dem Schutz und den wachsamen Augen der Brüder De La Cruz befinden, die ihre Beschützerrolle alle sehr, sehr ernst nahmen. Solange sorgte sich um Jasmine. Wenn sie über die Schwangerschaft im Bilde war, wie MaryAnn vermutete, würde sie Jasmine auf jeden Fall in die verhältnismäßige Sicherheit der Ranch bringen wollen.
»Kennst du Rafael und Colby?«, fragte MaryAnn. »Colbys jüngerer Bruder Paul und ihre Schwester Ginny leben auf der Ranch. Sie scheinen sich dort sehr wohl zu fühlen. Zumal Ginny ganz verrückt nach Pferden ist.«
Solange schenkte ihr ein dankbares Lächeln. »Ginny ist noch jung, nicht wahr? Elf oder zwölf vielleicht, aus Juliettes Erzählungen zu schließen.«
»Das wird nicht funktionieren, Solange«, sagte Jasmine. »Ich ziehe nicht ohne dich auf die Ranch.«
»Wer sagt denn, ohne mich? Ich würde auch dorthinziehen, wenn du es tust«, erklärte Solange. »Und du isst nicht mal genug, um ein Vögelchen am Leben zu erhalten. Also iss etwas.«
Jasmines Gesicht verdüsterte sich, als sie sich eine Banane nahm. »Du wirst mitkommen zu der Ranch, Solange, doch du weißt, dass du nicht bleiben würdest. Du würdest mich bei Juliette lassen und in den Dschungel zurückkehren und versuchen, hier ganz allein weiterzumachen.«
Solange lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und betrachtete Jasmine mit ernster Miene. »Ich habe gesagt, ich komme mit, und das werde ich auch. Ich werde versuchen, dort zu bleiben. Mehr kann ich dir nicht versprechen. Ich werde mir alle Mühe geben, es da auszuhalten. Ich dachte, wir wären hier sicher, doch wenn die Jaguarmänner von diesem Haus wissen und sie erfahren haben, dass die De La Cruz' es nur selten benutzen, werden sie uns holen kommen. Vielleicht sollten wir uns Juliette und Riordan anschließen, wenn sie zurückkehren.«
MaryAnn entging nicht der nervöse Unterton in ihrer Stimme. Solange glaubte keinen Augenblick lang, dass sie auf der Ranch würde bleiben können, doch Jasmine zuliebe würde sie es wenigstens versuchen.
»Was fürchtest du am meisten auf der Ranch?« MaryAnn stützte ihr Kinn auf ihre Hand und sah Solange prüfend ins Gesicht. Jasmine würde niemals bleiben, wenn ihre Cousine es nicht tat.
Solange schwieg so lange, dass MaryAnn schon befürchtete, keine Antwort zu erhalten. »Ich kann nicht gut mit Menschen umgehen, schon gar nicht mit Männern. Und ich bekomme Beklemmungen, wenn ich mich in meiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt fühle. Seit ich zwölf war, hat mir niemand mehr Vorschriften gemacht, und ich kann mir nicht vorstellen, irgendwo zu leben, wo es Regeln gibt -jemand anderes Regeln. Ich habe mir zu lange meine eigenen gemacht und kann mich nirgendwo mehr anpassen.« Sie sah Jas mine an. »Ich will nicht, dass du auch so wirst, Jazz. Du verdienst ein Leben.«
»Und du auch«, warf MaryAnn ruhig, aber entschieden ein.
»Ich bin kein netter Mensch«, erwiderte Solange, deren Augen flach und hart geworden waren. »Ich habe Dinge getan, die ich nicht mehr rückgängig machen kann.«
Jasmine legte ihre Hand über Solanges. »Du hast Leben gerettet.«
»Und sie auch genommen.«
Nicht das geringste Bedauern offenbarte sich in ihrer Stimme oder auf ihrem Gesicht, doch MaryAnn konnte dennoch eine tiefe Wehmut in ihr spüren. Solange war eine Kriegerin, und auf der Welt gab es einfach keinen Platz mehr für eine Frau wie sie.
»Bedaure mich nicht«, sagte sie. »Ich habe meine Wahl getroffen.«
»Und ich meine«, bekräftigte Jasmine. »Ich bleibe bei dir. Hier auf der Ranch oder wo auch immer. Wir sind Cousinen und müssen zusammenhalten. Juliette denkt genauso. Tagsüber kann sie nicht bei uns sein, aber ansonsten ist sie mit uns zusammen, wann immer es ihr möglich ist.«
Bravo, Jasmine. MaryAnn schenkte ihr ein anerkennendes Lächeln. Das Mädchen hatte also doch Mumm. Sie würde Solange nicht aufgeben.
Jasmine warf ihr ein verschwörerisches kleines Lächeln zu, das MaryAnn bewusst machte, dass sie froh war, hergekommen zu sein. Denn beide Frauen brauchten sie. Sie war die geborene Psychologin, die Menschen half, ihren Weg zu finden, und sie war sehr gut in ihrem Beruf und stolz auf ihre Fähigkeiten. Solange war noch hilfsbedürftiger als Jasmine, weil sie die Hoffnung
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