Gefangene der Flammen
gleiche Natur besaßen. Sie hatten es im Grunde gar nicht nötig, zivilisiert zu sein. Der Prinz wollte sie nur »zähmen«, um ihren natürlichen räuberischen Instinkten Zügel anzulegen.
Mitro hatte sich alle Mühe gegeben, dem Prinzen begreiflich zu machen, welchen Schaden er seinem Volk zufügte. Die Männer verloren nur deshalb ihre Emotionen, weil ihre wahre Natur unterdrückt wurde. Wenn er etwas spüren konnte ohne seine Seelengefährtin – die Frau, die ihn verkrüppeln, umformen und ihm sein wahres Wesen hatte nehmen wollen –, konnten es die anderen Jäger auch. Aber die Frauen legten den Männern Fesseln an und verwandelten sie in Kaninchen, obwohl sie an der Spitze der Nahrungskette hätten stehen müssen.
Seine Brüder, diese Weichlinge, versuchten, ihn davon abzuhalten, den Prinzen zu beraten. Sie wussten zwar, dass er recht hatte, befürchteten jedoch, ihren Status zu verlieren oder gar verbannt zu werden, falls dieser Jammerlappen von Prinz nicht einer Meinung mit ihm war. Mitro hatte keine Angst davor gehabt, weil er wusste, dass er recht hatte. Er besaß die nötige Intelligenz und Stärke, um zu tun, was getan werden musste. Er könnte alles haben, was er wollte, ohne von den Vorschriften eines Regenten gezügelt zu werden, dem es vollends an Weitblick mangelte.
Doch nun würde endlich alles anders sein! Arabejila war tot, und er würde bald schon frei sein, um die Welt zu beherrschen, wie es ihm von Anfang an bestimmt gewesen war. Langsam und sorgfältig darauf bedacht, keine Energie aufzuwenden, stieg Mitro in die Höhe, denn er wusste, dass jegliche Unruhe den Jäger zu ihm führen würde. Gerade jetzt durfte er nicht vergessen, wie nahe er daran war, es zu schaffen. Er musste nur alles richtig machen, sich zur Geduld zwingen und langsam mit den Gasen zu der Barriere aufsteigen und diese schon sehr ausgedünnte Wand erreichen. Er musste den perfekten Zeitpunkt wählen. Schon jetzt konnte er spüren, dass der Jäger in Bewegung war. Danutdaxton war also nicht in dem Magma umgekommen, doch Mitro hatte ja schon immer gewusst, dass es nicht leicht sein würde.
Ein scharfer Stich durchfuhr sein Herz und sandte eine elektrisierende Energie durch seinen Körper, deren Stärke ihm den Atem raubte, ihn aber auch mit tief empfundener Befriedigung erfüllte. Er konnte fühlen, was andere nicht wahrnehmen konnten. Er hatte sich verändert – weiterentwickelt –, um einem höheren Zweck zu dienen. Seine Gefangenschaft hatte ihn nur noch stärker und entschlossener gemacht. Er würde fliehen und Danutdaxton entkommen. Ohne Arabejila, um ihn aufzuspüren, hatte der Jäger seinen Biss verloren.
Mitros Adern pochten und brannten. Nachdem er all diese Jahre seine Blutgier hatte unterdrücken müssen, war er heute stärker denn je, und es dürstete ihn mehr denn je zuvor, das Entsetzen, den Abscheu und die unsägliche Angst seiner Opfer zu sehen, wenn er über ihr Leben oder ihren Tod entschied. Er griff sich grundsätzlich die Stärksten der Krieger heraus und folterte sie erbarmungslos, bevor er sie tötete, damit die anderen sahen, wie sinnlos es war, gegen ihn zu kämpfen. Mitro konnte ganze Dörfer gegeneinander aufbringen. Sie opferten ihm sogar ihre Kinder, ihre jungen Töchter oder erstgeborenen Söhne, wenn er es verlangte.
Oh ja, er weidete sich an der panischen Angst, die er verbreitete! Furcht war für ihn ebenso wichtig wie das Blut. Mitro brauchte diese köstliche, wundervolle Furcht genauso, wie er Nahrung brauchte. Je mehr er daran dachte, Menschen zittern und um ihr Leben flehen zu sehen, desto stärker würde der Drang. Er war zu lange ohne Nahrung gewesen und gierte nach dem von der Furcht erzeugten Adrenalin im Blut seiner Opfer, wenn er trank.
Mitro ließ seine Muskeln spielen, als er weiter zu den Barrieren aufstieg, die ihn von der Öffnung des Vulkans fernhielten. Dort musste er sein, wenn es endlich zu dem Ausbruch kam. Ohne Arabejila, um den Berg zu beruhigen, würde die Explosion katastrophale Folgen haben und kilometerweit alles dem Erdboden gleichmachen. Mitros Plan stand fest, und nichts und niemand würde ihn jetzt noch aufhalten. Keine naive Frau und auch nicht der karpatianische Jäger. Er, Mitro, würde endlich frei sein und uneingeschränkt die Welt beherrschen!
Der Wind rauschte den Berg hinunter, während schwarze Wolken sich über dem Vulkan auftürmten, die von einem dunklen, Unheil verkündenden Zorn getrieben zu sein schienen. Blitze durchzuckten die Wolken
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