Gefangene der Flammen
und seinen Studenten zum Abschied zu.
Riley hob den Rucksack ihrer Mutter auf und legte sich die Riemen über die Schultern. Ihr war nicht einmal bewusst gewesen, wie mitgenommen und abgekämpft ihr Körper von den Stößen und Schlägen der Affen war, bis sie sich hinter Jubal in Bewegung setzte.
»Viel Glück«, rief Gary den anderen zu, als er sich hinter Riley einreihte, offensichtlich fest entschlossen, sie zu beschützen.
Riley blickte sich nicht um. Das Gefühl der Dringlichkeit, das sie beherrschte, verstärkte sich sogar noch, als sie merkte, wie sehr sich alles um sie herum verändert hatte. Wie viel besser ihre Konzentration und wie viel schärfer ihr Bewusstsein war! Ihre Füße schienen ganz von allein den richtigen Weg zu finden und wichen jeglicher Gefahr aus. Der Urwald atmete für sie; er versorgte sie mit Sauerstoff, um ihr ein schnelleres Vorankommen über die schmalen Pfade zu ermöglichen. Bevor sie um eine Kurve bogen, wusste Riley schon, was sie dahinter erwartete. Sie fühlte, dass der Wald in irgendeiner Weise in ihr lebte, sie tröstete, sein Wissen mit ihr teilte und sie beriet.
Die kleine Gruppe beschleunigte ihr Tempo, als die Erdbewegungen an Häufigkeit und Stärke zunahmen und Dunkelheit sich über den Dschungel senkte. Dennoch herrschten eine Ruhe und Harmonie in der Gruppe, die vorher nicht da gewesen waren. Riley empfand eine starke Verbundenheit mit jedem ihrer Mitreisenden.
Hinter ihr ging Gary, als Letzter ihrer Gruppe. Er wirkte ruhig und gelassen, aber wachsam und stets auf alles vorbereitet, genau wie Jubal, der sich vor ihr durch den Dschungel schlug. Ben Charger hielt sich gut; seine Schritte waren sicher, und seine Haltung verriet Selbstvertrauen. Bei Don und Mack war das ganz anders, beide waren nervös und hatten schwer zu kämpfen mit dem unwegsamen Gelände, obwohl sie sich wirklich Mühe gaben. Aber sie waren hier einfach nicht in ihrem Element.
Miguel dagegen, der sich bestens mit dem Weg und den Gefahren der Gegend auskannte, strahlte Furcht aus. Mit grimmiger Entschlossenheit schlug er ihnen mit seiner Machete den Weg frei; jede Liane, jeder Ast und jeder Strauch, die ihnen den Weg versperrten, wurden mit einem sauberen Schlag seiner gewaltigen schwarzen Klinge gefällt. Riley empfand die Trennung der langen Lianen als so real, dass sie nahezu spüren konnte, wie jedes abgetrennte Stück den Atem aushauchte, wenn es zu Boden fiel. Die Vegetation versuchte, vor der Klinge zurückzuweichen, weil kaum merkliche Schwingungen die Pflanzen weiter vor ihnen warnten.
Riley begann, leise vor sich hin zu flüstern, und bat um Verzeihung für den Schmerz, den sie den Pflanzen mit der Freilegung des Pfades zufügten. Aber sie waren so in Eile, dass keine Zeit blieb, Umwege zu suchen, oder der ganze Regenwald selbst könnte schon sehr bald verloren sein. Öffnet den Weg, lasst uns durch!
Riley sog scharf den Atem ein. Wie oft hatte sie ihre Mutter solche Worte mit leiser, sanfter Stimme flüstern gehört, wenn sie eine Rucksacktour durch dichten Dschungel unternommen hatten? Mit jedem ihrer Schritte fühlte Riley sich Annabel mehr verbunden, näher und sich ihrer Erinnerungen an sie viel bewusster.
Fast ehrfürchtig berührte sie das Ende eines abgetrennten Zweiges. Eine helle Flüssigkeit sickerte aus dem Holz auf ihre Fingerspitzen. Der Lebenssaft des Baumes war kühl und klebrig, und eine wunderbare Ruhe überkam Riley, die ihr half, sich auf die vor ihr liegenden Aufgaben zu konzentrieren. Während sie einen Fuß vor den anderen setzte, strich sie mit der Hand über die Pflanzen und hielt bis zum letzten Moment den Kontakt zu ihnen. Dabei fühlte sie, wie sich etwas in ihr verlagerte, wie der Druck auf ihre Lunge nachließ und sie freier atmete, als sie die Pflanzen einen Großteil ihres Kummers und der Furcht vor dem, was kommen würde, übernehmen ließ.
Die fortgesetzten Erdbewegungen vermittelten ihr nicht nur ein Gefühl extremer Dringlichkeit und Eile, sondern machten ihr auch die wachsende Furcht ihres Führers bewusst. Miguel wusste, was diese Erschütterungen bedeuteten – dass sie sichere Anzeichen eines drohenden Vulkanausbruches waren. Er war für die Expeditionsmitglieder verantwortlich und hatte jetzt schon das Gefühl, versagt zu haben. Nach und nach veränderte er die Richtung und ging dabei so geschickt und unauffällig vor, dass es kaum zu merken war. Aber Rileys Gefühl für ihr Ziel war jetzt ebenso deutlich wie die Landkarte in ihrem Kopf und
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