Gefangene der Leidenschaft
speisen. Und morgen früh reitet Ihr wieder heim.“
Hamish MacPherson war überglücklich. In seinen kühnsten Träumen hätte er sich nicht eine so liebenswürdige Einladung von Brenna erhofft. Denn sonst hatte sie ihn immer wie einen Aussätzigen behandelt und wie all ihre anderen Bewunderer weit auf Abstand gehalten. Vielleicht hatte sie vor diesem Engländer mehr Angst, als sie zugeben wollte. Er war offenbar gerade zur rechten Zeit gekommen.
Hamish warf sich in die Brust und ließ sich wie ein großer Herr in die Wohnhalle führen. Doch als er sich niederlassen wollte, um mit Brenna zu plaudern, fand er sich plötzlich allein gelassen. Brenna ging hinaus, ohne ihm einen weiteren Blick zu schenken.
Erst beim Abendessen widmete sie ihm wieder ihre ganze Aufmerksamkeit. Den Gast an ihrer anderen Seite beachtete sie kaum.
Morgan kochte. Die eisige Lady hatte offensichtlich eine Vorliebe für rotwangige Knaben mit breiten Schultern, heldenhaften Allüren und nichts im Kopf.
„Ein Reiter nähert sich, Mylady. Er trägt die Standarte des Engländers.“
Brenna blickte von ihrer Stickerei auf. Es war Abend. Die Kerzen in den Wandleuchtern und das Kaminfeuer tauchten den Raum in ein warmes Licht. Megan und Hamish saßen vor dem Kamin und spielten Schach. Im Eingang stand ein Diener.
„Ist er allein?“
„Ja, Mylady.“
„Dann lasst ihn ein!“ befahl sie. Vom Fenster aus beobachtete sie, wie ihre Wachsoldaten die Waffen senkten. Dann wurden die schweren Bolzen beiseite geschoben, und langsam öffneten sich die riesigen Doppelflügel des Tores. Der Reiter stieg vom Pferd und überreichte dem Torhüter eine Pergamentrolle.
„Er bringt eine Nachricht für Morgan Grey“, meldete der alte Bancroft kurz darauf und führte den Boten herein. Brenna nickte und ließ nach dem Mann schicken, den sie den ganzen Tag gemieden hatte. Als Morgan endlich erschien, warf sie ihm einen kurzen, gleichgültigen Blick zu und konzentrierte sich wieder auf ihre Handarbeit.
Morgan überflog die Nachricht und sah dann stirnrunzelnd auf. „Ist das alles?“
„Ja, Mylord.“
„Mehr hast du nicht?“
„Nein, Mylord.“
„Dann sag den Männern, dass wir morgen bei Tagesanbruch aufbrechen! “
Brenna glaubte, nicht richtig zu hören. Sie hätte vor Freude jubeln können, aber sie verzog keine Miene und zwang sich zur Selbstbeherrschung. Doch als der Soldat sich verneigte und hinausging, entfuhr ihr ein Seufzer der Erleichterung. „Ihr ver-lasst uns, Mylord?“
Morgans Stimmung sank, als er Brennas freudigen Unterton bemerkte. Und als Hamish MacPherson die Halle durchquerte und sich schützend neben Brenna stellte, packte ihn die kalte Wut. Was war mit ihm los, dass dieser Grünschnabel ihn zur Weißglut brachte? Eifersucht? Das war unmöglich. So lächerliche Gefühle kannte er nicht. Warum sollte er eifersüchtig wegen einer Frau sein, für die er nichts empfand?
„Ja, ich reise ab. Anscheinend braucht die Königin mich für andere Aufgaben! “ Für wichtigere Aufgaben, hätte er am liebsten hinzugefügt.
„Ihr kehrt nach England zurück?“ Als er nickte, fuhr sie eilig fort: „Ich werde meine Diener sofort anweisen, Proviant für Eure Reise zusammenzustellen.“
„Ihr seid zu freundlich, Mylady. Aber so eilig ist es nicht. Wir brechen nicht vor morgen früh auf! “
„Aber wir benötigen viel Zeit, um so große Mengen zuzubereiten. Der Tag beginnt früh! “
Als Brenna sich erhob, bemerkte Morgan wieder diesen erleichterten Ausdruck auf ihrem Gesicht. Sie war heilfroh, ihn loszuwerden. Je früher, desto besser.
Und er hatte wahrhaftig keinen Grund, sich deshalb zu ärgern. Was hielt ihn hier? Er hatte diese Mission von Anfang an für sinnlos gehalten, und schon der eine Tag auf der Burg dieser Schottin war sträfliche Zeitverschwendung.
Morgan verließ die Halle und befahl seinen Leuten, die Vorbereitungen für die Abreise zu treffen. Dann ging er in sein Quartier und überflog die Notizen, die er sich über die Besitzverhältnisse der MacAlpins gemacht hatte. Selbst für englische Maßstäbe war die Herrin des Clans ungewöhnlich wohlhabend. Brenna MacAlpin wäre für jeden englischen Aristokraten eine gute Partie.
Morgan trat ans Fenster, öffnete es und ließ den Blick über die hügelige Landschaft gleiten. Die herabsinkende Dämmerung tauchte die Berge in ein sanftes Blau. In diesem Landstrich fanden seit undenklichen Zeiten Grenzkämpfe zwischen Engländern und Schotten statt. Es war ein schönes
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