Gefangene der Leidenschaft
„Ich fürchte, all dies hat mich zu sehr ... überwältigt.“
Morgan verneigte sich kurz vor ihr und drehte sie sanft im Kreis. Er lächelte, obwohl er Windham am liebsten den Hals umgedreht hätte. Der Kerl hatte ihm nicht einmal Zeit gelassen, Brenna alles in Ruhe zu erklären. Und nun diese peinliche Situation.
„Bitte, Mylord. Ich fühle mich sehr schwach. Gleich werde ich ohnmächtig.“
„Ihr werdet mit mir tanzen“, flüsterte er dicht an ihrer Schläfe. „Und Ihr werdet dem Protokoll gehorchen. Ihr wisst, dass Ihr Euch nicht vor der Königin zurückziehen dürft. Wenn wir allein sind, werden wir über alles reden. Habt Ihr mich verstanden?“
Allein. Ihr Herz begann zu rasen. „Also gut“, murmelte sie zwischen zusammengepressten Zähnen. „Ich werde das Spiel mitspielen, Morgan Grey. Bis wir allein sind.“
Er drückte die Lippen auf ihre Schläfen, und augenblicklich spürte sie das Feuer heißer Erregung. „Und was dann, Mylady?“
„Dann ...“ Die kurze, wie unabsichtliche Berührung seiner Schenkel ließ sie erbeben. „Dann werde ich Euch zeigen, wie eine Schottin kämpft.“
Er lächelte auf sie hinab. Dieses charmante, verführerische Lächeln - welche Frau wäre da denn nicht dahingeschmol-zen? „Und ich, Mylady, werde Euch zeigen, wie ein Engländer liebt.“
Brenna stand fröstelnd vor dem Kamin und kreuzte die Arme vor der Brust. Nachdem der Festtrubel vorbei war, fühlte sie sich erschöpft und niedergeschlagen. Wie würde sie das Leben in dieser dekadenten, verdorbenen Gesellschaft ertragen, an der Seite eines Mannes, der sie aus reiner Berechnung heiratete?
Morgan reichte ihr einen Kelch mit Wein. „Trinkt einen Schluck. Es wird Euch aufwärmen.“ Er begann, im Raum auf und ab zu wandern. Dann lehnte er sich gegen den Fenstersims und starrte in die Flammen. „Es tut mir Leid, dass Ihr dieses unwürdige Schauspiel ertragen musstet, Mylady. Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre es anders verlaufen.“
Brenna sagte nichts, und Morgan sprach weiter. „Und was meine erste Ehe betrifft - nun, für Euch war es sicher ein Schock ...“
„Irgendwann werde ich vielleicht so abgestumpft sein, dass mich in diesem sittenlosen Land nichts mehr schockieren kann“, entgegnete Brenna bitter.
Morgan hielt ihren Blick fest. „Windham hat gelogen“, sagte er gepresst. „Ich wurde in dieser Ehe nur benutzt.“ Er machte eine Pause. „Sie dauerte übrigens kein Jahr.“
„Wie ... was ... “ Brenna verstummte. Eine Ehescheidung war für sie unvorstellbar. In Schottland war eine Ehe untrennbar, aber in England hatte Elizabeths Vater, König Heinrich, die Scheidung eingeführt, damit er seine Gemahlinnen nach Belieben wechseln konnte.
„Die Frau starb.“
Der gequälte Ausdruck in seinen Augen weckte Brennas Mitleid. „Das tut mir Leid, Mylord. Ihr trauert noch immer, nicht wahr?“
Sein Mund wurde zu einer dünnen, harten Linie. „Habt Dank für Euer Mitgefühl, aber Ihr verwechselt Trauer mit Bitterkeit. Wie kann ich um eine Frau trauern, die mir nie gehört hat?“
„Was sagt Ihr da, Mylord?“
„Die Lady liebte einen anderen. Mich hat sie nur benutzt, um ihren Geliebten eifersüchtig zu machen. Und um seinem Kind
einen Namen zu geben.“
„Ein Kind! Ihr habt ein Kind, Mylord?“
Nein.“ Morgan trank hastig und schenkte seinen Kelch wieder voll. „Das Kind starb, bevor es geboren war.“
Überwältigt von Mitgefühl berührte Brenna seinen Arm. „Das tut mir sehr Leid, Mylord.“
Ihre Berührung war wie Feuer. Morgan zog den Arm fort. „Ich will Euer Mitleid nicht.“
Sie beobachtete, wie er den Weinkelch zum zweitenmal leerte. Eine lähmende Hilflosigkeit ergriff sie. Sie wollte etwas sagen, war aber zu keinem Wort fähig. Endlich fasste sie Mut. „Warum ...“ Sie schluckte und begann von neuem. „Wenn Ihr so enttäuscht und verbittert seid, Mylord, warum habt Ihr dann um meine Hand angehalten? Ich erinnere mich, wie entschieden Ihr Euch anfangs gewehrt habt... “
Ja, warum? Dieselbe Frage hatte Morgan sich auch schon gestellt. Sein Gesicht wurde zu einer undeutbaren Maske. „Ich fühle mich für Euch verantwortlich, denn schließlich habe ich Euch nach England gebracht. Als mir klar wurde, dass Windham Euch zur Frau haben wollte, habe ich mit der Königin gesprochen. Ich hätte nie geduldet, dass Ihr unter Windhams grausamer Tyrannei hättet leiden müssen.“ Er lachte leise. „Ich nehme meine Verantwortung ernst.“
„Eure Verantwortung?“
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